Text
Und da hab’ ich ihm den Rock zerrissen.
Und da hab’ ich ihm mit dem Zeigefingerknöchel der linken
Hand in das Fleisch gestossen, das ihm überm Herzen sitzt.
Und dann hab’ ich ihm an den Schlund gepackt, dass er
die Augen verdrehte — wobei ihm der Schlips abfiel.
Ich habe seinen dummen Schlips zertrampelt, und dann habe
ich — wild ausgesehen wie ein Teufel.
Und da hat er Angst bekommen und sich nicht länger gewehrt.
»Ich lass’ Dich nicht los!«
Diese fünf Worte sagt’ ich ihm so klar und deutlich, dass
er vollkommen das Selbstbewusstsein verlor.
Nun geht er ruhig neben mir — mein Schatten — mein
Zerrbild!
Er sagt auch zu mir:
»Ich lass’ Dich nicht los!«
Es klingt mir öfters sehr unheimlich — ich möchte eigent-
lich wieder allein sein.
Diese verdammte Gier!
Diese verfluchte Sehnsucht!
Dieses alberne Herrschenwollen!
Alles dieses lässt uns auch nicht los — Nichts lässt los!
Diese Welt ist doch sehr fest
MEERGLÜCK.Eine Groteske.
Das alte Meer tobt.
Und langsam steigen aus den schäumenden Wogen Geister
heraus — masslos riesige Geister!
Mit wildem Trotz kommen sie höher und höher.
Ihre Fäuste sind geballt.
Sie drohen mit ihren geballten Fäusten.
Und plötzlich schlagen sie mit ihren Fäusten aufs tobende
Meer, dass die schäumenden Wasser hoch aufspritzen — bis an
die Sterne.
Unergründliche smaragdgrüne Augen starren aus den Geister-
köpfen heraus — in die Welt hinein.
Verzehrende Wehmuth und massloser Zorn kreischt — in
diesen grünen Augen.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 573, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-15_n0573.html)