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Fantasio. Und der Januar im Herzen. Mein Schädel gleicht
einem alten Kamin ohne Glut: nur Wind und Asche. Hu! (Er setzt sich.)
Wie mich dieser allgemeine Freudentaumel langweilt! Ich wollte,
der weite, schwüle Himmel wär’ eine riesige Wollmütze, um diese
dumme Stadt und ihre dummen Bewohner bis über die Ohren darein
zu wickeln. Na, erzählt mir, ich bitt’ Euch, irgend einen abgebrauchten
Witz, etwas recht Abgedroschenes.
Hartman. Weshalb?
Fantasio. Damit ich lache. Ich lache nicht mehr über das,
was man erfindet; vielleicht vermag ich über Altes, Bekanntes zu
lachen.
Hartman. Du scheinst ein wenig Misanthrop und zur Melan-
cholie geneigt.
Fantasio. Keineswegs, ich komme von meiner Liebsten.
Facio. Ja oder nein, hältst Du mit uns?
Fantasio. Ich halte mit Euch, wenn Ihr mit mir haltet.
Bleiben wir noch eine Weile hier, plaudern wir von dem und jenem,
unsere neuen Kleider betrachtend.
Facio. Meiner Treu, nein. Du bist müde zu steh’n, ich zu
sitzen. Ich muss mich im Freien ermannen.
Fantasio. Ermannen? ich könnt’ es nicht. Ich will lieber mit
unserem alten Spark unter diesen Kastanien eine Pfeife rauchen. Du
leistest mir doch Gesellschaft, nicht wahr, Spark?
Spark. Wie Du willst.
Hartman. Adieu also. Wir geh’n uns das Fest betrachten.
(Hartman und Facio geh’n, Fantasio und Spark setzen sich).
Fantasio. Wie dieser Sonnenuntergang verfehlt ist. Die Natur
ist heut’ abend erbärmlich. Sieh’ Dir mal das Thal dort an, diese vier
oder fünf kläglichen Wolken, welche den Berg hinanklettern. Solche
Landschaften entwarf ich auf dem Umschlag meiner Schulbücher, als
ich zwölf Jahre alt war.
Spark. Famoser Tabak! Famoses Bier!
Fantasio. Ich langweile Dich wohl sehr, Spark?
Spark. Nein, warum das?
Fantasio. Du langweilst mich furchtbar. Bist Du’s nicht satt,
alle Tage dasselbe Gesicht zu seh’n? Was Teufel zieht Hartman und
Facio zu diesem Fest?
Spark. Zwei muntere, fidele Jungen, die kein Sitzfleisch haben.
Fantasio. Welch wunderbares Buch ist doch dies Tausend und
eine Nacht! O Spark! lieber Spark, könntest Du mich nach China
zaubern! Könnt’ ich für ein oder zwei Stunden aus meiner Haut! Könnt’
ich jener Herr sein, der eben vorbeikommt.
Spark. Das scheint mir allerdings schwierig.
Fantasio. Dieser Herr ist entzückend. Sieh’mal, die prächtigen
Seidenhosen! Die prächtigen rothen Blumen auf seiner Weste! Die
Breloques trommeln auf seinem Bauch, seine Rockschösse flattern ihm
um die Beine. Gewiss leben in seinem Kopf tausend mir fremde Ge-
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 580, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-15_n0580.html)