Text
Spark. Wozu dies ewige Wühlen in Dir? Wenn ich zum
Beispiel rauche, schwebt meine Seele auf leichten Wolken des Rauches;
wenn ich trinke, taucht sie in spanischen Wein oder flandrisches Bier;
küss’ ich die Hand meiner Liebsten, dann schleicht sie durch ihre
schlanken Finger und verbreitet sich auf elektrischen Strömen über
ihr ganzes Wesen; mich kann der Duft einer Blume zerstreu’n, und
das Kleinste im All genügt, mich in eine Biene zu verwandeln, die
nach allen Seiten mit immer neuer Freude schwärmt.
Fantasio. Mit einem Wort: Du verstehst zu angeln.
Spark. Ich versteh’ mich zu allem, was mich belustigt.
Fantasio. Auch den Mond mit den Zähnen zu packen?
Spark. Das unterhielte mich nicht.
Fantasio. Ach was weisst Du davon? ’s ist so übel nicht,
den Mond mit den Zähnen zu packen. Komm, spielen wir »trente et
quarante«.
Spark. Fällt mir nicht ein.
Fantasio. Weshalb?
Spark. Wir würden unser Geld verlieren.
Fantasio. Ach mein Gott! Was denkst Du da wieder! Du
weisst nicht, was ersinnen, um Deinen Geist zu martern. Du siehst
wohl alles schwarz, Du Ärmster? Unser Geld verlieren! In Deinem
Herzen wohnt also kein Glaube mehr und keine Hoffnung? Du bist
also ein arger Gottesleugner, fähig, mein Herz gefühllos zu machen
und mir alles zu rauben, mir, der ich voll Jugend und Kraft bin.
(Er beginnt zu tanzen.)
Spark. Ich zweifle zuweilen wirklich an Deinem Verstand.
Fantasio (weiter tanzend). Gib mir eine Glocke, eine gläserne
Glocke!
Spark. Wozu eine Glocke?
Fantasio. Sagt nicht Jean Paul: Ein Mann, in einen grossen
Gedanken vertieft, gleicht einem Taucher unter der Glocke im
unendlichen Ocean? Mir fehlt eine Glocke, Spark, eine Glocke, und
wie Jesus tanz’ ich auf dem unendlichen Ocean.
Spark. Werde Literat oder Poet, Heinrich. Das leichteste Mittel,
die Misanthropie zu zerstreu’n und die Phantasie zu dämpfen.
Fantasio. Oh! ich würde mich für einen Hummer mit Senf
begeistern, für eine Grisette, für eine Classe von Mineralien, Spark!
Wir woll’n ein Haus für uns beide bau’n.
Spark. Warum schreibst Du Deine Träume nicht nieder? Es
gab’ eine hübsche Sammlung.
Fantasio. Ein Sonett wiegt mehr als ein langes Gedicht, und
ein Glas Wein mehr als ein Sonett. (Er trinkt.)
Spark. Warum reist Du nicht? Geh’ nach Italien.
Fantasio. Ich war in Italien.
Spark. Nun! Findest Du dies Land nicht göttlich?
Fantasio. Es treiben sich dort eine Unzahl Fliegen herum,
gross wie Maikäfer, die einen die ganze Nacht stechen.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 15, S. 582, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-15_n0582.html)