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bringen, als gerade Herr Rosée.
Er zeichnet einen oder zwei
wirkliche Charaktere. Aber solche
Juden hat man im Jahre 1750
auch schon gezeichnet. Und sein
moderner Jude ist ein blasses,
schemenhaftes Herrchen. Es ist
klar, dass das Ganze auf eine
Heiratsfrage hinausläuft, auf eine
leblose Liebesintrigue, und Ahasver
stirbt gewiss durch die Hochzeit
des getauften Juden in einer christ-
lichen Kirche. Welch ein schäbiges
Horizöntchen für vier Acte und
eine Vorrede! Dieses Stück Gegen-
wart hat keine Zukunft.
F. Wa—n.
Ludwig Wolff: Dunkle
Sehnsucht. Wiener Intérieurs.
Leipzig. F. E. Neupert’s Nach-
folger 1898.
Dieses Buch ist stillschweigend
Guy de Maupassant gewidmet. Die
Maupassant’sche Wollust am Miss-
verständnis, am Contraste mensch-
licher Subjectivitäten lebt in ein-
zelnen Conflicten dieser Novellen
Freilich, nach Maupassant ist es
nicht mehr schwer, solche Conflicte
niederzuschreiben. Maupassant hat
seine Philosophie an so vielen Er-
eignissen demonstriert, dass man
sehr verklebte Augen haben müsste,
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um nicht von nun ab in jeder
Stunde des Lebens einen neuen
Maupassant-Conflict zu sehen
Leider wollen sich die meisten
Autoren nicht damit zufrieden
geben, diese Maupassant-Conflicte
einfach darzustellen. Sie fühlen sich
verpflichtet, aus Eigenem noch
etwas hinzuzuthun. In diesem
Falle ist es wieder einmal das
»Wienerische«, diese fade Sauce
von Sentimentalität und Geziert-
heit. Natürlich werden Maupassant-
Conflicte dadurch um ihren ersten
Vorzug gebracht. Der Autor ist
nicht mehr der über den Contrasten
stehende, in seiner Objectivität
unerbittliche Zuschauer und Dar-
steller unter ihm liegender Lebens-
kämpfe, vielmehr sinkt er herab,
wird schwächlich, subjectiv, beginnt
von sich zu reden. Ist ein solcher
Autor nicht selbst eine Maupassant-
Figur? Der Verfasser dieses
Intérieurs ist ein junger Mann.
In einzelnen Skizzen schwingt er
sich zu Maupassant’scher Härte
auf. Man darf hoffen, dass sich
das »Wienerische« an ihm, will
sagen: das Unmännliche, mit jedem
Tage des Erwachsenerwerdens ver-
lieren wird.
st. gr.
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