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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 19, S. 724

Text

EINIGE ERINNERUNGEN AN KARL A. TAVASTSTJERNA.
Von LAURA MARHOLM (Schliersee). I.

Ich glaube, dieser Name wird vielen Lesern unbekannt sein.
Sie werden kaum einen anderen Eindruck damit verbinden, als den
Klang von ein paar fremdartigen und herausfordernden Lauten, wie so
manche Namen des Nordens klingen — so manche nordische Dichter-
namen. Und der und jener wird sagen: viel zu viele dergleichen Namen
haben wir schon hören müssen. Und immer unter demselben Reclame-
trommel-Accompagnement. Verschont uns mit neuen!

Nun, dieser berechtigte Wunsch wird diesmal erfüllt werden,
verehrter Leser. Der Mann mit dem Namen Karl Tavaststjerna kommt
nicht — er ist bereits gegangen. Er ist todt.

Er ist auch kein Todter, dem rasch ein Nachruhm gemacht
werden soll. Es gieng recht still um ihn zu, als er gestorben war.
Man begrub ihn mit den Ehren, die man seiner Familie schuldig war
und widmete ihm die nöthigen Nachrufe. Aber nichts drüber.

Er ist auch noch gar nicht lange gestorben, so dass er jetzt
etwa wieder damit drohen könnte, aufzuerstehen. Es ist keine Gefahr,
dass er ausgegraben wird. Er starb erst vor einigen Monaten. Und
damit wir gleich mit seinen Personalien fertig werden: er war 38 Jahre
alt, als er starb, und zwar an einer hastigen Lungenentzündung; und
er starb dem alten achtzigjährigen Dichter Topelius, seinem von allen
hochgeliebten und gefeierten Landsmann, so auf dem Fusse nach, als
ob er sagen wollte: aus! Schluss!

Denn er war Finnlands bedeutendster Dichter der jüngeren
Generation, der einzige, der Topelius’ Mantel aufheben und seinen
Lorbeer tragen konnte. Und das könnte ein harter Schlag für ein
Land scheinen, dem es noth thäte, sich geistig aufrecht zu erhalten.

Und damit wir in seinen Personalien fortfahren, so starb er in
einem kleinen abgelegenen Winkel Finnlands, der Björneborg heisst.
Der Name des Städtchens ist bekannt geworden durch den »Björne-
borger Marsch«, zu dem der erwähnte berühmte Topelius die Worte
dichtete; und auf allen schwedisch-finnländischen Studenten- und anderen
Festen wird seitdem bei allen Gelegenheiten gesungen:

»Söhne eines Volkes, dess’ Blut
Bei Narva floss, auf Lützens Feld.«

Derselbe Topelius, wenn ich nicht irre, dichtete auch zur zweiten
berühmten finnländischen Kriegsmelodie, dem »Marsch der finnländischen

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 19, S. 724, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-19_n0724.html)