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BÜCHER.
»Todtentanz.« Eine Ascher-
mittwochsdichtung von Max
Möller.
Seit einigen Jahren ist es unter
den Dilettanten der Lyrik, des
Dramas und des Romans üblich
geworden, das Thema vom Tode
und vom Sterben auszuschroten.
Unfähig, das wirkliche Leben in
sich einströmen zu lassen, es mit
menschlichen und künstlerischen
Organen zu erfassen, versperrt
gegen die tausendfachen Anregun-
gen der Natur und der mensch-
lichen Verhältnisse, nehmen sie
das Thema Tod quasi als Selbst-
zweck, als Hauptmelodie, während
es von den wahren Künstlern nur
als endliche Auslösung, als noth-
wendiger Schlussaccord, mit der
gleichen Bedeutung, die es im
Leben hat, gebraucht wird. Der
physische Tod ist aber das Ende
einer Kette, der Abschluss eines
unendlichen Complexes, selbst
nichts Compliciertes, sich Ent-
wickelndes und darum kein Thema
für ein Kunstwerk. Dies wäre
nur das absteigende, dem Tode in
die Arme laufende Leben. Aber
die Dilettanten nehmen den Tod,
der selbst nichts ist, als etwas für
sich Seiendes, sie wollen aus einem
mathematischen Endpunkt eine
Linie, ein Gebilde machen.
Dieses Drama »Todtentanz« ist ein
eclatantes Beispiel einer am Thema
Tod sich beweisenden, geistigen
Impotenz: Ein Ball in einem
mittelalterlichen Königsschloss. Im
Lande wüthet die Pest. Der König
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ist entflohen. Nur die junge
Königin feiert mit ihrem Hofstaat
lustige Feste. Der Tod kommt
als grosser, schwarzer Domino in
den Saal. »Sein Haar ist fahl-asch-
blond, mehr strähnig als gelockt«,
er macht der Königin eine Liebes-
erklärung, schwefelt banales Zeug
zusammen, küsst sie endlich auf
die Stirne. Daraufhin sinkt die
Königin natürlich ganz entseelt
zusammen. Das übrige Gesindel
ist dem Tod nur einen einzigen
Schwertstreich wert. Nach ver-
richteter Arbeit entfernt sich Herr
Tod
Man kann es Fidus nicht ver-
zeihen, dass er sich dazu hergab,
dieses Machwerk zu illustrieren.
Überhaupt scheint bei den neuen
Büchern die Pracht der Ausstattung
im umgekehrten Verhältnisse zu
ihrem Werte zu stehen.
M. M.
Ernst Hardt: »Priester des
Todes«. Dreizehn Novellen. Berlin,
S. Fischer, 1898.
»Simplicissimus«-Literatur! Da-
mit sind diese Novellen eigentlich
vollständig charakterisiert. Sie be-
reiten geschickt eine scharfe Pointe
vor, sind tendenziös, wenn es sein
muss, und gehen keinem Effect aus
dem Wege, sei er noch so unkünst-
lerisch. Um »Spannung« in seine
Geschichten zu bringen, hat Herr
Hardt vorläufig erst zwei Recepte.
Er erzählt entweder etwas recht
Grauenhaftes nach dem offenbaren
Vorbilde des Maupassant, gruseliges
und spukhaftes Zeug, das, nach
Mitternacht gelesen, die tiefste
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