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für die Nüstern Löcher. Aber diese Bretter, diese Rinden waren rauh
und schwer, nur aus einem Stück und unbeweglich, passten sie sich
nicht dem Mienenspiele an; in ihrer Starrheit unheimliche Huschköpfe,
konnten sie nur blödes Entsetzen erwecken.
Man machte weniger steife und schwere Materien ausfindig,
zum Beispiele die gegerbte, geschmeidige Haut. Als Ausnahmen wollen
wir Masken aus Cedernholz, aus Glaswaren, sogar solche aus Bronze
erwähnen. Man nahm auch dünne Stoffe, Leinwand, die man mit
Wachs überzog; später entdeckte man Pappe und sogar Guttapercha,
die zum Nachformen, Vergolden und Bemalen geeignet waren. Das
Problem war gelöst: Sammt- und Seidenmaske, ein Streifen schwarzen
Crêpe vor dem Gesicht, mit einer Barbe aus Spitzen. »Die Frauen
scheinen viel weisser«, sagt eine Chronik aus der Zeit Heinrich III.,
»sie kokettieren durch die Maske hindurch«. Mit ihrem sogenannten
»Wolf«*) oder »Wolfsgesicht« suchten sie den Leuten Angst einzu-
jagen. Um das Geheimnis beim Ausgehen zu wahren, oder um die
Frische ihres Teints zu erhalten, verbargen die vornehmen Damen,
die angesehenen Bürgerinnen ihre Gesichtchen sogar im täglichen Leben
hinter Larven. Sie verfügten damals nicht über den Sonnenschirm,
den man im XVII. Jahrhundert aus China brachte, und der nur lang-
same Verbreitung fand.
»Ein gemeinsames Merkmal in Griechenland und Japan,« erzählt
Gonse, der Autor von L’art Japonais, »ist die Verwendung der Maske
im Theater. Die ungeheuren Nasen, die schielenden Augen, die miss-
gestalteten Mäuler, die Furchen und trotzigen Fratzen drücken Wild-
heit und Bestialität aus. Lachen und Zorn sind zuweilen mit ausser-
ordentlicher Intensität wiedergegeben. Die Reihe der Laster ist ebenso
amüsant als vollzählig Diese Masken reichen zurück bis zum höchsten
Alterthum.
Die Japanesen trugen solche auf den Festen am Hof, bei theatra-
lischen Vorstellungen, bei religiösen Ceremonien. Man zeigt Masken im
Alter von einem halben Dutzend Jahrhunderten und mehr. Die Copien
der urältesten Fratzen haben einen umso energischeren und umso fremd-
artigeren Charakter, je weiter zurück die Epoche liegt, aus der sie
stammen!«
Das wundert uns keineswegs, da alle Masken unserer Meinung
nach dämonischen Ursprunges sind.
In gewissen Klöstern in Tibet gebraucht man bei den religiösen
Ceremonien Masken von verblüffender Sonderbarkeit und intensivster
Lebendigkeit: Tiger, Elephanten, Krokodile und Schlangen, schwimmende,
fliegende, laufende, kriechende Thiere, sie alle kommen Buddha zu
huldigen.
Man hat von den Masken im griechischen Theater häufig ge-
sprochen: die tragischen oder komischen Masken, Masken von Satyren
*) Im französischen heisst Maske auch loup.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 20, S. 778, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-20_n0778.html)