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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 19, S. 713

Text

Wiener Rundschau.


15. AUGUST 1898.


BISMARCK.
Von F. SCHIK (Wien).

Die politischen Weltangelegenheiten sind nun ohne die lang-
gewohnte, verlässliche Controle.

Nicht wie damals, als deutscher Reichskanzler, in berechtigtem
Grimme den Formalismus des Rücktrittes mit ätzendem Sarkasmus
erfüllend, sondern ergeben ist Bismarck abgetreten. Er hat in die
Freundeshand eingeschlagen, die ihn aus dem Wirrsal der Er-
eignisse hinausführte, in das er bis zum letzten Augenblicke seine
klärende Stimme erschallen liess. Jetzt mag erst recht der Genius
mit der gesenkten Fackel um seine Macht, Bismarcks Mund für
ewig zu schliessen, beneidet worden sein, jetzt mögen wieder
die irdischen Gewalten, denen es nicht gelang, den Zweck der
herostratischen Entlassung zu erreichen, an die Grenzen ihres
Könnens gemahnt worden sein.

War auch seit acht Jahren Bismarck jener Weg ver-
sagt, alle öffentlichen Autoritäten Deutschlands zu unmittelbaren
Organen seiner wuchtigen Willensbestimmung, alle Bewegungen
der Staatsmaschine zu Äusserungen seiner politischen Einsicht
zu machen, so vermochte doch das ganze kaiserliche Aufgebot
nicht zu bewirken, Bismarcks ferneren Einfluss auf die Welt-
geschichte mit einem Ruck auszuschalten. Noch war sein Geist
in den Prämissen des deutschen Reiches, in den Einrichtungen
des politischen Lebens zu innerlich fixiert, das diplomatische

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 19, S. 713, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-19_n0713.html)