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Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 21, S. 806

Text

806 LE GALLIENNE.

»Du bist traurig,« sagte sie leise, »und Deine Seele ist sehr krank«.

»Wessen Seele sollte nicht krank sein, wenn er an den namen-
losen Jammer dieser Welt denkt, »dieser grünen Welt«?!«

»Ja, das ist ein gutes Gefühl, eine zu stürmische Güte. Gott
kennt die Schmerzen seiner Welt und er lächelt, wenn wir ihm helfen,
sie zu ertragen; aber er will nicht, dass wir versuchen, alles auf
unsere schwachen Menschenschultern allein zu nehmen. Wenn wir
vergessen, dass er mitträgt, so vergessen wir ihn selbst. Denn Gott
kennt die Bedeutung des Leidens und lächelt. Und sein Lächeln ist
Schönheit. Traurige Gräber grünen, sagst Du, aber das ist auch nur
wieder eine mystische Verkündigung von Gottes Willen. Wenn wir
wüssten, warum die Gräber grün werden, so könnten wir die schöne
Bedeutung des Todes begreifen — und ganz ohne eine Ahnung seines
Sinnes sind wir ja auch nicht.«

(Fortsetzung folgt.)

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 21, S. 806, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-21_n0806.html)