Text
Naumburg und Riemerschmied reden in ihnen über die Dinge. Die
Dinge selbst kommen noch kaum zu Wort. Daneben hat Fräulein
M. Kirschner ein gelbes Zimmer gedichtet. Dann ist noch ein Saal da.
Rothe Buche, grüngebeizte Eiche und graues Vogelahorn in den
Füllungen, das ist ein guter Dreiklang, aber zu absichtlich. Immerhin
beweist die Firma W. O. Dressler und F. Hanel durch die fein-
gewählten Farben guten Geschmack. Das Allzusonntägliche dieser Dinge
fällt nicht ihr zur Last. Man merkt hier: die Zeit ist noch nicht er-
füllt. Man baut noch Triumphbögen für das Neue. Später wird man
ihm Hütten bauen.
Von einzelnen Dingen möchte ich noch A. Endells feinen Schrank
mit den schönen Beschlägen erwähnen, der mir jetzt aber nach Van
der Velde zu »geschmückt« erscheint. Das ist das Merkwürdige: bei
dem Belgier wirkt sogar jede seltene Verzierung organisch, wie von
innen heraus. Als ob das Ding an einer Stelle etwas von seiner tieferen
seelischen Schönheit verriethe, so ist jede Falte, jeder Messingtheil.
Diese Dinge sind wie vornehme Menschen: im Schweigen liegt ihr
Anvertrauen, nicht in den vielen Worten. Nebenan stehen noch recht
redselige Möbel. Eines scheint auf das andere eifersüchtig und es kommt
zu keiner Gesammtwirkung. Und das müsste in den kleineren Räumen
besonders angestrebt werden: Zimmer zu schaffen, die so sind, dass
man in ihnen nichts vermisst und nichts übersieht. Man müsste em-
pfinden: es ist alles da.
In solchen Zimmern dann die Bilder vertheilen. Jedem das Seine.
Curt Stöving z. B. hat Stephan George gezeichnet. Es ist das feinste
Porträt, das ich von Stöving kenne. Lorenzo il magnifico in einem
Traume Burne-Jones’: so etwa. Um solche Bilder muss man Zimmer
bauen, wenn man den Raum dazu hat. Oder dieser Herbstwald von
Leistikow, in dem die Birken brennen an den schwarzen Wassern.
Oder die stillen Thoma’s, sie alle sind es wert, allein zu wirken,
Solitäre, die eine würdige Fassung verlangen. Aber leider hat man
diese letzteren alle nebeneinander gehängt in bewusster Ausstellungs-
unart. Es gibt nämlich ganz am Ende noch einen Oberlichtsaal, darin
ein paar Farbenfragezeichen des Herrn von Habermann neben Hugo
Vogel, Dora Hitz u. a. hängen. In diesem Raum kann man zu keinem
ruhigen Schauen kommen; es ist viel Gutes da, aber vor allem ein
Treffliches, Grosses, das einem die Augen füllt wie ein Sonnenunter-
gang. Man sieht lange nichts hernach.
Max Klinger, Plastik, ein weiblicher Act. Das eine Bein hoch
aufgestützt, den Körper leicht geneigt. Die Linien klar und sicher. Das
Material warm im Ton, von feinen Adern belebter Stein. Man muss
diesen Arm sehen, der sich eng an den Rücken legt, und sehen wie
die Ferse des hochgehobenen Fusses sich leise eindrückt in das andere
Bein. Keine Farbe drängt sich ein, die dem Stein nicht eignet. Nur
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 23, S. 890, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-23_n0890.html)