Text
Er warf einen schnellen Blick nach oben hinauf: »Es handelt
sich nur darum, zu machen, dass wir dann bald fortkämen!«
»Hat keine Eile, hat keine Eile. Sie hat noch drei Kinder übrig,
die sie ihnen vorhalten muss «
Der Bootsmann klopfte auf dem Gatterzaun seine Pfeife aus.
Er war just drinnen gewesen und hatte seine Leinwandjacke
angezogen, als Frau Rusten athemlos und viel schneller, als es ihrer
fetten, vollblütigen Figur gut war, dahergekeucht kam. Sie hatte den
Segelmacher gesehen und die Gefahr geahnt.
Der Bootsmann empfing sie mit einem grossen Maulsperren der
Enttäuschung.
»Ach! Was Du es aber eilig hattest, Gertrud. Du solltest Dir
doch Zeit lassen, wenigstens Athem zu holen, Du kannst ja vor
Keuchen gar nicht reden Hst, hst, — warte nur — gedulde
Dich Du weisst ja, Dein Schwindel
»Also gehen wir, Segelmacher!«
»In dieser Hitze« — rief die Frau »Wollt Ihr nicht
nähertreten, Segelmacher, und etwas zu Euch nehmen, wir haben
wohl ein Glas Bier zu bieten.«
»Jaha ja — nun zieht man sanfte, lockende Saiten auf — legt
Fallen —«
»Oh, ich habe mich schon recht darnach gesehnt, zu hören,
wie es mit Ihrer armen, kranken Frau steht, Timme, die so von der
Rückengicht geplagt wird —«
»Nun will sie nicht, dass wir ihr entwischen sollen — und so
kommen wir nicht Aber die Schlange war das listigste Thier
auf dem Felde «
»Die arme Hanne, wir sprangen und spielten manchmal zusammen
unten in der Seegasse, als wir noch Kinder waren. Ja, sie war ein
wenig jünger «
»Nun zieht sie die verschiedensten Saiten auf He ho,
hihi — in solchem Wasser bedarfs wohl mehr als eines Segelmachers.
Und etwas Längeres als das Garn des Segelmachers, um solcher
Tiefen Tiefe auszulothen die findet man erst auf dreihundert
Faden.«
»Was stehst Du da und schwatzest und murmelst die ganze
Zeit, Rusten. Du willst doch nicht etwa am hellen Feiertags-Nachmittag
mit der zerissenen Rocktasche, die da herabhängt, ausgehen, bevor
ich sie wieder zurechtgemacht habe «
»Nun hör’ einmal einer diese Mannigfaltigkeit! Sie singt mit
so vielerlei Schnäbeln, sage ich Dir, Segelmacher War es
nicht eben gerade, als hörte man dort oben auf dem Hügel den Uhu
schreien: U — hu —!« wiederholte er hohl und unheimlich.— »Das
war für die Frau Paalsen. Und nun für uns singt sie reine Triller.«
»Sie werden bei dieser Hitze ein Glas guten, kalten Bieres
wohl nicht verschmähen, Timme. Und dann könnte ich Ihnen ja auch
etwas dazu zu beissen beschaffen.«
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 23, S. 894, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-23_n0894.html)