Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 23, S. 895

Text

BOOTSMANN RUSTEN. 895

Der Segelmacher guckte zum Bootsmann empor. Er für sein
Theil nähme mit bestem Dank an, wenn die Frau durchaus etwas
vorsetzen wollte.

»Sieh, sieh, sieh, sieh!« rief der Bootsmann; »sie bringt’s fertig!
sie bringt’s fertig Gott verdamm’ mich, Segelmacher, hat sie
uns nicht schon alle Beide an’s Land gezogen! Wir können noch so
viel mit den Beinen zappeln Aber ist einer hinter ihr,
schlüpft sie doch durch, wenn es auch ein noch so enges Loch ist.
Wenn nichts anders übrig bleibt, schlage ich auf den Tisch und
mache der Alten den Standpunkt klar. Denn in diesem Hause ist nur
einer Herr « Er senkte den Ton zu einem leis vertraulichen:
— »Ich glaube, kein anderer könnte auch mit ihr fertig werden
— kein anderer auf der Welt. Denn sie weiss so genau, dass ich
ihre Schliche kenne He he — eh, he, hier kann man weder
gähnen, noch sich langweilen, sagte der Mann, als er im Dornenbusch
lag

»Na, ja, die wahre Weisheit sagt, man soll aus seinem Unglück
und seinen Widerwärtigkeiten das Beste machen, Segelmacher
Gehen wir also in die Stube hinein

»Hier ist Beardseye für die Pfeife und hier Streichhölzer.«

Sie stopften sich ihre Pfeifen, zündeten sie an und setzten sich
am Kaffeetisch zurecht und dampften.

»Wo bleibt sie nur? Will sie uns etwa noch auf das
Tröpfchen Bier warten lassen, dann — Gott verdamm’ mich! —
dann segeln wir ihr davon, Segelmacher!«

Im selben Augenblick klirrte es an der Küchenthüre und Frau
Rusten kam mit zwei Bierflaschen, Pfropfenzieher und geschmierten
Brotschnitten auf einem Tablett herein.

»Ich hätt’ doch meine Seligkeit verschworen, dass es keinen
Tropfen Bier im Hause gäbe. Aber so ist es, wenn man zu zweien
ist. Sie kann noch vielerlei im Hinterhalt haben.«

»Ich bewahrte die beiden Flaschen auf und setzte sie in den
Keller, neulich, als wir die Brandtaxatoren hier hatten,« erklärte Frau
Rusten. »Na, und nun erfüllen sie ja ihren Zweck. Wer spart in der
Zeit, hat in der Noth, nicht wahr, Segelmacher?«

»Ach ja, ja — Saus und Braus leeren manches Haus
und manche Weiber sind so jawohl ja, sagte das Weib, als
sie Halleluja sagen sollte und Kyri Eleison und man
muss sein Hauskreuz mit Geduld tragen Hätten wir nur
damals in dem Vogelmist auf Chinchas etwas trinkbares Wasser
gehabt, Segelmacher. Aber ein Topf braunen, faulenden Wassers
täglich und dreissig Grad, so dass der Theer schmolz Hu, der
Geschmack von all dem Guano sitzt mir noch im Halse. Ihn recht
’runterspülen, das bringe ich nie in diesem Leben fertig. Prost!«

»Das ist gutes Bier — kaltes Bier,« begann der Segelmacher.

»Aber die Weiber, siehst du, Timme« — er schielte nach der
Frau hin — »sind in der ganzen Welt eine widerspenstige Rasse.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 23, S. 895, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-23_n0895.html)