Text
In Spanien und Guayaquil und in ganz Südamerika haben sie Pferde-
haare — um so härter, je mehr man südlich der Linie kommt —
und die Indianer tragen es aufgebunden wie Rossschweife. Und kommst
du zu den Negerweibern, so haben sie alle Wolle statt der Haare. Und
das ist keine Lüge, sondern eine Gotteswahrheit, dass die Frauen-
zimmer immer mehr stinken, je weiter man nach Süden kommt. Und
hätt’ der Herr nicht dies Hindernis geschaffen — da er ja den Leicht-
sinn und die Thorheit der Herzen kennt — dann bekämen wir wohl
Seeleute zu sehen, die mit gelbem und schwarzem und rothem Anhang
heimkehrten Ach, gib den Korkzieher her Prost,
Timme!«
»Ja, während Ihr hier sitzt und schwatzt« — unterbrach ihn
Frau Rusten — »geh ich mit dem Kleiderstoff, den ich für die Mären
gefärbt habe, zum Schiffer Eilertsen, ob er ihn vielleicht mitnehmen
und sie schön von mir grüssen möchte. Denn Eilertsen lichtet noch
vor Nacht den Anker, wenn er günstigen Wind hat. Sie waren schon
gestern fertig.«
»Gott verdamm’ mich, nimmt sie nicht den Shawl um, jetzt, in
dieser Glühhitze« — rief der Bootsmann ärgerlich. »Sie kann gleich
niederstürzen, das macht ihr nichts — so wie ihr das Blut im Kopf
steht Ach nein, wenn die Figur nur schöner dadurch wird! —
Ja, ja, die Eitelkeit, die Eitelkeit« ertönte es, als Frau Rusten
sich mit dem Stoff unter dem Arm zur Thüre hinaussputete.
»Nun sollst Du sehen« — der Bootsmann eilte zum
Fenster hin, an dem er in gekrümmter Haltung stehen blieb — »wie
die Alte Dampf gibt und die Strasse hinunterfliegt. Kannst Du mir
sagen, was für einem Vogel sie ähnelt es ist nicht ’ne Ente
und auch nicht ein richtiges Truthuhn Es ist wohl die Meer-
gans. — Mitten im Sonnenbrand, als wenn ihr der Athem ausgehen
soll, wo sie so schon nur wenig Pust hat Die Gesundheit! —
und wenn sie platzt — das macht nichts — nichts — wenn sie nur
ihren Willen kriegt! — Prost, Timme!«
»Prost, Rusten!«
Sie tranken ihr letztes Glas aus.
Die Augen des Segelmachers starrten zur Decke hinauf, während
der Bootsmann ab und zu nach ihm hinguckte.
»Jäh — jäh — jäh — hier gibt’s kein Bier mehr, Timme —
— wie Du siehst. — Hüh, püh — ist das heiss! Wär’ die Frau nur
zu Haus’ geblieben, dann hätt’ sie noch ein paar Flaschen ’rüberholen
können, das war ja nur g’rad genug, um Durst zu kriegen.«
Der Segelmacher brummte vor sich hin, liess sich aber zu keinem
Ausspruch gegen die Gastfreiheit des Hauses verleiten.
Sie dampften weiter.
»Hm — hm —«
»Hm — hm —«
Der Segelmacher blies und klopfte die Pfeife aus und stopfte sie
wieder, träge und langsam.
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 23, S. 896, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-23_n0896.html)