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Bourget, seinen früheren Freund geworfen.
»Nicht wahr, Bloy, Sie hassen mich?«
fragt ihn der Romancier in einer Gesell-
schaft bei Barbey d’Aurevilly. »Nein,«
antwortete er, »ich verachte Sie.«
Aus diesen Gesinnungen ist sein
Novellenband aus dem deutsch-französi-
schen Kriege »Sueur de Sang« zu ver-
stehen, in dem er Eindrücke und Erinne-
rungen aus dem Leben der Franctireurs
gesammelt hat, blutrünstige, grausame
Phantasien, rohe Schilderungen von tücki-
schen Überfällen und Schlächtereien, die
zuweilen aus den dunkelsten Blättern der
Chronik des dreissigjährigen Krieges zu
stammen scheinen. Die Feinde sind ja
Germanen und Protestanten, darum ist
alles gegen sie erlaubt, und Humanität
wäre ein Frevel gegen den Himmel. Ein
Kreuzzug gegen alle Ketzer ist sein Lieb-
lingsgedanke, seit seiner Jugend wird er
von einer Vision begleitet: er sieht London,
die Hauptstadt des Protestantismus, von
einer Million Krieger belagert, er sieht
die Feste des Teufels unter dem Donner
von tausenden von Kanonen zusammen-
brechen, die Kreuzfahrer machen das ver-
dammte Ketzernest dem Erdboden gleich
und sie pflanzen die Fahnen der Mater
dolorosa auf den rauchenden Trümmern auf.
Léon Bloy hat keinen Gedanken, keine
Sorge, keine Gesinnung, keinen Schmerz
und keine Freude mit unserem Zeitalter
gemein, er kämpft für die katholische
Kirche, und diese ist unveränderlich, sie
verneint die Geschichte und die Entwick-
lung. Ich bin weder Schriftsteller, sagt
er, noch Pamphletist, noch Denker, noch
Künstler, ich bin nichts als der Katholik
Léon Bloy. Es gibt nur eine Pflicht, die
Vernunft fortzuwerfen und an das Mirakel
zu glauben, das noch heute wie vor zwei-
tausend Jahren täglich verkündet wird.
Für diesen Glauben hat er alles auf sich
genommen, Elend, Hass, Verachtung,
Lächerlichkeit, und er hat über die Ge-
sellschaft triumphiert, weil sie dem Bettler
seinen einzigen Besitz, den Glauben, nicht
hat nehmen können. Die Ungläubigen
hassen ihn, die Gläubigen fürchten ihn
und auch die Kirche mag von dem un-
bequemen neuen Heiligen nichts wissen.
Dieser Mann hat nichts Unechtes, nichts
Phrasenhaftes, er hat nicht entsagt, weil
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er seinen Platz an der Festtafel des Lebens
nicht erobern konnte. Mehreremale in
seinem Leben hatte er es vollständig in
seiner Hand, sich eine gesicherte litera-
rische Stellung zu erwerben, wenn er sich
zu dem geringsten Compromiss mit den
Einflussreichen oder mit dem Publicum
verstanden hätte. Bei diesen Gelegenheiten
that er ungefähr alles, um sich jede
Popularität von vornherein abzuschneiden.
Als er seine erfolgsicheren chauvinistischen
Skizzen aus dem Kriege sammelte, widmete
er das Buch dem Manne, der wohl den
furchtbarsten Hass des französischen Volkes
getragen hat, dessen Name von allen
Parteien mit gleicher Wuth verdammt und
bespien worden ist — dem Marschall
Bazaine. Bloy hat die Frage des Verrathes
nicht im geringsten geprüft, er sagte sich,
dass ein von seinem Volke einmüthig
Verfluchter unschuldig sein müsse und er
entdeckte etwas Göttliches in dem Schicksal
dieses Verbannten, der die Sünden einer
ganzen Generation zu tragen schien und
sich schweigend steinigen liess. »Gott ist
allein gegen alle. Augenscheinlich ist da
ein Mysterium. Es ist sicher, dass ein
Mensch, wäre es auch ein Verbrecher,
gegen den die ganze Welt sich ver-
bindet und der allein ist gegen alle, in
sich etwas Göttliches hat, das ihn liebens-
wert macht.«
Diese Liebenswürdigkeit hat auch Bloy,
und es ist seine einzige. Er steht ganz allein.
Wohl suchte er Einkehr in dem Kloster-
frieden der Grande Chartreuse, wie Huys-
mans später bei den Trappisten Heilung
suchte, aber er wusste, dass dies nur eine
kurze Ruhe und kein Ende für den Ver-
zweifelten war. Er gehört nicht zu den
literarischen Decadenten, die an der
Schwelle des Katholicismus zusammen-
gebrochen sind, er ist und bleibt der
Eiferer, der Kämpfer, der bewusste, ruhe-
lose, von einer fressenden Flamme ver-
zehrte Fanatiker. Das einzige Wesen, das
es neben ihm aushält, ist seine Frau, eine
Dänin, ursprünglich Protestantin, die sich
zum allein seligmachenden Glauben be-
kehrt hat und in ihm ihren Erlöser sieht.
Die wenigen Freunde, die sich ihm
näherten, die ihm halfen, hat er durch
seine Unduldsamkeit fortgeschreckt, durch
seine Undankbarkeit entsetzt, da er Gott
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