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vor Triumph sagt die Magd vor sich hin:
»Ich wersch Euch zeija, passt amol uf.«
Und sie zeigt es ihnen. Sie ergreift
das Steuer. Ihre üppige Kraft wird nicht
durch die fleissigste Arbeitsamkeit beruhigt,
sie betrügt ihren Mann mit einem windigen
Kellner. Sie drängt einen ihr unbequemen
Knecht aus dem Hause und isoliert all-
mählich ihren Mann von seinen Freunden.
Henschel hat schon angefangen zu leiden,
aber er hofft noch. Das Kind seiner ersten
Frau ist gestorben, und so beschliesst er,
Hannes uneheliches Töchterchen ins Haus
zu nehmen. Er hat ihr nichts davon
gesagt, sondern wollte sie mit dem Kinde
überraschen. Und er überrascht sie, aber
anders als er gehofft hatte. Wüthend fährt
sie das Kind an und überhäuft ihn mit
Vorwürfen, dass er sie dem Gerede
der Leute aussetze. Und zum erstenmal
bricht sein Zorn rückhaltlos aus und
Hass und Verachtung in seinem Zorn:
»Du sullst Dich schama, a su lang wie
De bist.«
Er hat kein Behagen mehr in seiner
Wohnung. Das Weib schafft darin herum,
arbeitet und scheuert in einemfort wie
wild. Mit dem Kinde seiner Frau auf dem
Arm geht er ins Wirtshaus. Dort sammelt
und verbreitet sich aller Klatsch. Man
spricht nicht gut von den Henschels. Man
kennt alle Schliche der Hanne und das
Urtheil über sie wird halb unwillkürlich
auch auf den Mann übertragen. Es ist
so weit gekommen, dass man den Verdacht
zu äussern wagt, der Tod der Frau
Henschel und der ihres Kindes sei nicht
mit rechten Dingen zugegangen. Und
durch einen Streit Henschels mit einem
entlassenen Knecht aufgestöbert, entleert
sich der ganze Unrath über den trotz
allem Bisherigen immer noch ahnungs-
losen Mann, die schlimme Wahrheit und
die schlimmeren Verdächtigungen. Mit
eiserner Kraft packt Henschel den Pferde-
händler, der sich zum Munde des heim-
lichen Gemunkels gemacht hat; Hanne
soll kommen, ihr ins Gesicht soll die
Anklage erhoben werden, und Hanne
kommt; Henschel sieht in ihrem Gesicht
das Eingeständnis ihrer Untreue, und dieses
Furchtbare enthüllt ihm wie ein Blitz auch
die Möglichkeit, dass der Tod seiner Frau
und seines Kindes: — — »dass ich —
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mei Weib — dass mir mitnander — dass
insa Gustla — ’s is gutt! ’s is gutt!« Er
bricht zusammen.
Die schlimme Wahrheit kann Henschel
nicht verwinden. Er sieht kein Leben mehr
vor sich, und er erhängt sich. — — —
Eine unerhörte Kunst hat mehr als ein
Dutzend Menschen in ihrer unverwisch-
testen Lebensfrische hingestellt, hat jeden
in seiner eigensten Centralität belassen,
und hat sie doch in knappem und er-
schöpfendem Ausdruck gezwungen, in den
Organismus eines Dramas aufzugehen, ein
Wunder von Composition so schaffend.
Nicht minder kunstvoll ist die causale Ver-
knüpfung des Ganzen. Züge, die anfänglich
nur ihrer selbst willen da zu sein schienen,
fliessen plötzlich in den grossen Zusammen-
hange ein und werden Motive.
In derselben unauffälligen Weise bildet
auch das Sociale des Stückes ein Motiv.
Die Krankheit der Frau lähmt den Gang
einer Wirtschaft wie der Henschels. Das
hebt die Stellung der Magd. Und Henschel
muss wieder heiraten. Es ist keine Aus-
flucht, sondern die ernsthafte Wahrheit,
wenn er sagt: »Inser ens kan ohne Weib
ni auskumma.« Und diese sociale Noth-
wendigkeit bildet wieder einen psycholo-
gischen Einschlag, indem sie Hannas beste
Seite, ihren Fleiss und ihren Erwerbseifer,
in helles Licht setzt.
So verschlingen sich in diesem Werk
die Fäden wie im Leben selber. Wir
stehen vor ihm wie vor dem Leben selber,
stumm gemacht. Wir können es deuten,
wie wir das Leben deuten können, das
unsere Deutung noch nicht enthält. Wir
sehen ein Schicksal; wir können es tragisch
nennen, zu unserer Befreiung; wir können
eine Schuld darin entdecken, wenn unsere
Hingerissenheit das nöthig hat. Wir
können sagen, dass Henschel sich einmal
der Entscheidung seines feinsten Gewissens
entzogen hat aus Furcht vor ihr; dass er
seine Sache in ein fremdes Gehirn gelegt
hat und sie darum aus fremden Gehirnen
wieder empfangen muss, besudelt nun, ver-
zerrt und zum Gespenst geworden.
Wir können das sagen. Der Dichter
hat nichts derartiges gesagt, sowie das
Leben nichts derartiges sagt. Die Dinge
leben in ihm so rein, so unverwirrt durch
Wunsch und Absicht. Welche Seele ist
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