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nicht entgegen, dem Wunderbaren; sie
begnügt sich damit, es mit gefalteten
Händen zu erwarten. Sie will das Ziel
ohne den Weg. Es ist wie bei der Senta in
Peter Altenbergs »Fliegendem Holländer«:
»Nie kommt Er!« Denn das Wunderbare
kommt nicht von selbst. Und darum muss
es erst jene grenzenlose Enttäuschung sein,
die sie emporreisst, emporreisst zu dieser
seltsam-nüchternen morgengrauen Wach-
heit, in welcher sie so plötzlich das
Evangelium vom Weibe, das verrathen
ward, um wissend zu werden, mit ihren
Kinderlippen verkündet. Erst wo der
Glaube in der Frau der dumpfen Be-
schränkung entrissen ist, kann Senta zu
der Elsa des »Lohengrin« werden, welche
zweifelt und fragt, oder aber zu der Brünn-
hild« der »Götterdämmerung«, welche,
entgöttlicht, sich selbst in ihrem Glauben
verlieren musste, um dann, aufgerüttelt
durch Verrath und wissend, das Wunder-
bare zu bewirken, das sie halbbewusst
einst vorbereiten half.
Aber Ibsen hat uns auch ein neues
Geschlecht gezeichnet, das solcher Auf-
rüttelung nicht erst zu bedürfen scheint.
Kindhaft und doch stark, gläubig und
doch so klug bewusst, zeigt er es uns
einmal, wie es sich das Wunderbare zu
erzwingen kommt, da, wo es zum »Un-
möglichen« geworden ist. Das ist die
Jugend, vor der der Baumeister Solness
so »entsetzliche« Angst hat, der Bau-
meister der hohen Thürme, den es in
seinen eigenen Höhen schwindelt und der
doch die Macht hat, die Menschen an
sich glauben zu machen, weil trotzdem
das »Unmögliche« ihn »gleichsam lockt
und ruft«. Und es ist die Hilde Wangel,
die Pflegetochter der Frau vom Meer,
die, wissender und stärker als Nora, ihn
zu zwingen kommt, dieser Jugend zu
genügen. Nichts ist mit ihrer überlegenen
Sicherheit zu vergleichen. Die naive
Glaubenskraft der Jugend schützt sie wie
ein blanker Schild vor dem Angriff der
Schuld — wie ja auch der junge Peter,
der Sohn des Jarl Skule, nicht sündigen
kann, so lange er an den »grossen
Königsgedanken« seines Vaters glaubt,
obgleich es ihn »so wild von Schuld
zu Schuld, von Todsünde zu Todsünde«
treibt.
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Schlimm aber, wo dieser Schild fehlt,
wo kein ganzer forttragender Glaube mehr
da ist und doch noch das dunkle wilde
Wollen, so wie bei Hedda Gabler, der
hochmüthigen Tochter General Gablers, der
müden Weltdame mit den stahlgrauen
Augen voll kalter, klarer Ruhe. In ihrer
halben Skepsis will sie das Ziel gar nicht
mehr, nur noch das Mittel: »Macht über
ein Menschenschicksal« will sie haben, und
über eins, von dem sie doch schon weiss,
dass das Leben »in Schönheit« nicht in
ihm liegt. Aber auch, wo sie ihm den Tod
in Schönheit noch aufzwingen zu können
meint, schreitet sie nicht vor zu einer
offenen kraftvoll-bekennenden That; denn
die feige Angst vor dem »Scandal« hält
ihren Lebensdrang so sehr gebannt, dass
sie sich nicht zu regen wagt. Und doch ver-
geht sie fast »in all diesem — Komischen«
und in dem Fluch, der »das Lächerliche
und das Niedrige« über alles legt, woran
sie nur rührt, und doch verhungert sie fast
nach der »freiwillig-muthigen« That, auf
welche es wie ein »Schimmer von unwill-
kürlicher Schönheit« fällt. Und so weiss
sie denn auch zu thun, am letzten Ende
vom Ende, als sie die Pistole General
Gablers, mit der sie sonst nur »so dastand,
um in die blaue Luft zu schiessen«, in
jähem Entschluss auf sich selber abdrückt.
Dieser Schuss ist von so ungeheurer Conse-
quenz, dass er nicht einmal wie eine Sühne
wirkt, weil durch ihn alles gleichsam noth-
wendig wird, was geschehen ist, und weil
das Nothwendige keine Sühne braucht. Das
Wunderbare streift Hedda Gabler im
Sterben — ein verlöschender Schein!
Aber da ist noch eine Frauengestalt
Ibsens, deren Haupt es umstrahlt wie
blutiges Nordlicht, denn sie ist tief durch
die Schuld gegangen vorher. Das ist
Rebekka West, der Wildvogel aus dem
hohen Norden, der Eindringling auf Ros-
mersholm. Auch sie hat ein Menschen-
leben hingeopfert. Aber nicht in dem
naiven, auch nicht in dem halben Glauben,
das Wunderbare zu erleben, wie Hilde
und Hedda es thaten, sondern in dem
»wilden unbezwinglichen Begehren« nach
einem andern — so wie Rita, die Mutter
Klein-Eyolfs, die ihrer wilden Lust ihr
eigenes Kind opfert. Aber sie weiss freilich
nichts von der schwächlichen Sühne, die
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