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diese sich auferlegt. Sie löscht auch ihre
Schuld nicht aus, indem sie einfach stirbt
wie Hedda. Sie adelt ihre That durch das,
was sie wird. So kann sie deren Frucht
nicht mehr pflücken; aber die neue
Schönheit ist in ihr lebendig geworden,
dauernd lebendig, nicht in dem vorüber-
huschenden Augenblick eines letzten Ent-
schlusses und auch nicht in der Unge-
wissen Aufwallung der Jugend wie bei
Hilde. »Als ich aber dann,« sagt sie zu
Johannes Rosmer, »mit Dir hier anfieng
zusammenzuleben — in Stille — in Ein-
samkeit — als Du mir alle deine Gedanken
ohne Vorbehalt mittheiltest — jede noch
so weiche und zarte Regung, wie Du sie
fühltest — da gieng der grosse Umschlag
vor sich. — Nach und nach — verstehst
Du. Fast unmerklich — aber so über-
wältigend schliesslich, bis tief auf den
Grund meines Gemüthes. — All das andere
— das kranke, sinnentrunkene Begehren
entwich von mir so weit, so weit Es
kam eine Gemüthsruhe über mich — ein
Schweigen wie auf einem Vogelfelsen unter
der Mitternachtssonne dort oben bei uns «
Es war, »dass dann in mir die Liebe empor-
wuchs, die grosse, entsagende Liebe.«
Aber diese Liebe ist mit ihrem alten
Wesen zu einer unlöslichen Einheit ver-
schmolzen. Es ist diese Liebe, die sie lehrt,
mit derselben wilden Energie, mit der sie
früher über jedes Hindernis hinweg ihrem
Ziele zugeschritten ist, von diesem Ziele
nun sich hinwegzustossen; die sie lehrt,
sich moralisch vor dem Geliebten zu ver-
nichten, um ihm die »frohe Schuldlosigkeit«
wiederzugeben, deren er bedarf. Nicht aber
für diese Liebe, für ihren neuen Glauben,
der ihr theuer geworden ist, geht sie dann
ruhig in den Tod, um auch in dem andern
diesen Glauben wieder anzufachen: »den
Glauben an seine Fähigkeit, das Gemüth
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der Menschen zu adeln, den Glauben an
die Fähigkeit des Menschengemüthes geadelt
zu werden.« So ist es kein »fremdes«
Gesetz mehr, unter das sie sich gebeugt
zu fühlen braucht angesichts des Todes.
Umsoweniger als auch der, dessen Seele
in die ihre hinüberdrang, nicht mehr
derselbe ist, der er war. Denn ist es die
düstere Lebensauffassung der Rosmer,
sind es die huschenden weissen Todten-
rosse auf Rosmersholm, welche sie anfangs
dem Tode zujagen, so ist es ihr Geist,
der in Johannes Rosmer mächtig wird,
wenn er das wilde Verlangen nach
ihrem freiwilligen freudigen Tode an sie
stellt. Und wenn sie sagt: »Was ich
verbrochen habe — das muss ich auch
sühnen,« so antwortet er ihr jetzt darauf:
»Es gibt keinen Richter über uns.«
Darum können sie beide es nicht mehr
ergründen, wer dem andern folge, als sie
zusammen in den Tod gehen: »Wir beide
folgen einander, Rebekka,« sagt Rosmer,
»ich dir und du mir Denn jetzt sind
wir beide eins.«
Doch wenn auch kein Glück in dem
errungenen Neuen liegt, eines ist dennoch
gewiss: dass in ihm etwas liegt wie die
Überwindung des Schicksals. Das
»Geheimnis der Erwählung« ist nicht mehr
»furchtbar« für die, in denen die neue
Schönheit lebendig geworden ist. Im Strahl
des Wunderbaren wird Siegfried geboren,
der freie, furchtlose Held, an dessen Schwert
der Speer des waltenden Gottes zersplittert.
Aber die Menschen erkennen ihn nur an
seinem Lachen. Darum können sie
das Freiwillige nicht sehen in Rosmers
und Rebekkas düsterem Todesgange.
Und ihre Weisheit wird laut im Munde
der Frau Helseth, der Haushälterin aus
Rosmersholm: »Die selige Frau zog sie
nach.«
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