Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 68

Sapientia Der Zeichner Fidus Konrad Ferdinand Meyer (Altenberg, PeterAltenberg, PeterBasedow, Hans von)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 68

Text

ALTENBERG: DER ZEICHNER FIDUS. — BASEDOW: KONRAD FERDINAND MEYER.

diesen Gedanken, an die ferne Küste
zu ziehen zu den liebestrotzenden
Weibchen!

Sie sorgt eben für die Erhaltung
— — — der Häring-Rasse!!

Petrarcas Seele entflammte sich zu
einem ewigen Feuer an dem Antlitz
einer Dame, welche er ein einzigesmal
im Leben sah, an einem Altare kniend!
Niemals zog er an die Küste, zu ihr.

Aus Fernen, aus Seelentiefen, gleich
dem Oceane, liebte er sie und dreissig
Jahre lang blieb er »in ihrer Ferne«.

Und ohne ihren Körper befruchtet
zu sehen, lebte dieses Weibchen selig
in dieser unfruchtbaren Liebe dahin!

O unergründliche Weisheit der
Natur, die du à tout prix deine Zwecke
zu erreichen strebst!

Du sorgst für die Erhaltung der
Petrarca-Rasse!!

Denn mit dieser Dame zeugte er
so seine Kinder, die Liebeslieder!


DER ZEICHNER FIDUS.*
Von PETER ALTENBERG (Wien).

Künstler, Dichter, ahnt Ihr noch
nicht, dass das »werdende Weib« Euch
näher steht als das »gewordene«?!

Welche »niedere Form« zweckdien-
licher Notwendigkeiten repräsentiert
dieser dem Manne entgegen ächzende
Leib?!

In welcher Freiheit hingegen, los-
gelöst vom Zwecke, ganz in Grazie und
Zartheit schwebend, steht das Kind-
weib vor Dir, Künstler?!

Die traurigen Schwierigkeiten end-
giltigen Ereignisses sind noch in weite
Fernen gerückt und nah gerückt ist
Gottes Plan, der Seele eine unbe-
schwerliche Hülle zu geben!

Diese Form prävalierender Göttlich-
keiten in dem dem Fortpflanzungs-
Geschäfte so schnöde gewidmeten
Kunstwerke »Frauenleib«, hat der
Zeichner Fidus zu seinem Haupt-
thema gemacht.

Und die Jünglinge, welche diesen
Kindlichen sich nahen, tragen auf ihrem
Antlitze jenen Ausdruck, welcher mehr
dem eines Beatrice-erfüllten Dante als
dem eines besitzwahnsinnigen Faunes
entsprechen!


Die Welt der »Fertigen« ist nütz-
lich
!!

Die Welt der »Unfertigen« jedoch
ist schön!!

* Bei Gelegenheit der Illustrationen zu Karl Henckells Gedichtbuch (Zürich und Leipzig,
Verlag von Karl Henckell & Co.) und zu Eduard Stuckens »Balladen« (S. Fischer, Verlag. Berlin).


KONRAD FERDINAND MEYER.
Von HANS von BASEDOW (Berlin).

Wieder ist einer dahingegangen von
den, wenn auch nicht »ganz Grossen«, so
doch wenigen Grossen. Konrad Ferdinand
Meyer ist nicht mehr, auf seinem Land-
gute Kilchberg schloss er die müden
Augen; die Kunst hatte ihn schon vor

Jahren verloren — seit seiner Erkrankung
war er verstummt. Er schwieg, weil seine
Kraft gebrochen war; dass sie das war,
spürt man deutlich, allzu deutlich an den
wenigen Gedichten, die er noch geschaffen,
und an der sogenannten Verbesserung, die

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 68, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-03_n0068.html)