Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 14, S. 331

Empfindende Photographien Pariser Brief (Gessmann, Gustav W.Gourmont, Remy de)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 14, S. 331

Text

GOURMONT: PARISER BRIEF.

Diese »empfindsamen Photographien«
erinnern lebhaft an den eingangs unseres
Aufsatzes geschilderten Bildzauber und
lassen die Annahme nicht ganz unglaub-
lich erscheinen, dass es sich auch bei
manchem Bilderzauber um Ähnliches ge-
handelt haben mag.

Die Ausstrahlung eines besonderen
fluidalen Stoffes aus den Händen mancher
Personen ist durch vielfache Versuche von
den Magnetiseuren Schröder, Tormin,
Reichel und Rohm in Deutschland er-
wiesen worden.

Die bezüglichen Versuche wurden in
der Weise angestellt, dass die in einer ge-
wöhnlichen photographischen Cassette ein-
geschlossenen, hochempfindlichen Platten
mit einem Metallbleche bedeckt wurden,
welches beispielsweise einen Stern- oder
kreuzförmigen Ausschnitt hatte.

Die Versuchspersonen hielten 15 bis
45 Minuten die Fingerspitzen über die
ausgeschnittenen Stellen des Metalles, und
als die so behandelten Platten entwickelt
wurden, kamen die betreffenden Figuren
in unverkennbarer Weise zum Vorschein.

Controlplatten, welche nicht magnetisiert
worden waren, zeigten keinerlei Einwirkung.
Wurde magnetisierte Watte, d. i. Watte,
welche von den Händen der Magnetiseure
bestrichen worden war, auf die photo-
graphische Platte aufgelegt und diese dann
entwickelt, so erwies sich die Platte, soweit
die Watte reichte, beeinflusst; unmagneti-
sierte Watte hingegen brachte keinerlei
Effect hervor.

Die bezüglichen Versuche werden
eifrig fortgesetzt und steht in nächster
Zeit eine eingehendere Publication mit
Reproductionen der Originalaufnahmen in
Aussicht.

Wir leben eben in einer Zeit wissen-
schaftlicher Ueberraschungen. Die Ent-
deckung der Röntgen’schen Strahlen hat den
Bann gebrochen, welcher so lange Zeit hin-
durch das Gebiet unsichtbarer Kraftwirkun-
gen umschlossen hielt, und steht zu er-
warten, dass wir noch, bevor das XIX., das
eiserne Jahrhundert, gänzlich zur Neige
gegangen sein wird, einen gewaltigen
Umschwung in der Lehre von den Kräften
und deren Wirkungen erleben werden.


PARISER BRIEF.
(Sarcey. — Becque.)
Von REMY DE GOURMONT (Paris).

Ein Reisender hatte die Güte, uns
mitzutheilen, dass er Sarceys Tod durch
eine in einem Kaffeehaus in Tunis affichierte
Depesche der »Agence Havas« erfahren
habe. Ich bin überzeugt, dass man in
diesem so wohl unterrichteten Kaffeehaus
weder den Tod Becques, noch voriges
Jahr den Mallarmés oder Verlaines,
noch irgend einen jener Sterbefälle ange-
schlagen hat, die in der literarischen Welt
eine wirkliche Lücke hinterlassen. Die
Telegraphenagenturen haben eine ganz
eigene Auffassung vom Ruhm; sie wollen
ihre Zeit nicht vertrödeln, indem sie den
Tod eines genialen Mannes verkünden,
ja schon deshalb nicht, weil ihre Depesche
über die genialen Männer, die zumeist in
mildem Halbdunkel lebten, wohl riskieren

würde, jenen Leuten unverständlich zu
bleiben, die bei einem Glase des National-
absinths ihr Domino spielen.

Die Menge — und zur »Menge« muss
man ein gut Theil der Journalisten beider
Welten zählen — bildet sich ein, dass
ein Mensch, der schreibt und berühmt
wird, seinen Ruhm nothwendigerweise
seinem schriftstellerischen Talent zu ver-
danken habe. Das kommt vor, aber sehr
selten. Das Talent ist gewöhnlich den
Literaten, die es besitzen, äusserst schäd-
lich; es verwirrt das Publicum, stört die
Gewohnheiten. Wenn es der Originalität
manchmal schliesslich gelingt, sich zur
Geltung zu bringen, so geschieht dies nur
nach langen und schmerzlichen Kämpfen
und oft selbst in dem Augenblicke, in dem

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 14, S. 331, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-14_n0331.html)