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soll mir dienen. Denn ich habe den strafen-
den Gott verbrannt — und er kann mir
nicht dienen. Aber der Geist mit dem
rothen Mantel wächst in den Flammen;
er wird in meiner Hand sein — bis ich
ihn fortwerfe; er darf nicht erscheinen
auf den weissen Blättern — denn seine
Hände sind blutig. Beatrice, Beatrice, hinter
der sinkenden Scheibe der Sonne flammt
hoch eine weisse Lohe — das ist die
Wiedergeburt Deiner Seele! Durch Dich
bin ich stark. Andere sind muthig durch
berühmte Werke — aber niemand hat
noch um des Guten willen vor sich selbst
zu zittern und zu schaudern gewagt. Aber
ich bin der Starke, der Deinetwegen nach
dem Reich der Verdammten gehen wird,
wo keine Seele Ruhe findet.
Die Nacht kommt — die stille — dunkle
Nacht, da die Füchse ihre Höhlen ver-
lassen, so lautlos, dass die Elfen, die zum
Tanze schleichen, sie nicht zu hören ver-
mögen. Die Alte wird laut schreien —
ihr weisses Haar wird zu Berge steigen
— und sie wird mich tödten mit ihren
Blicken. Jetzt schläft sie, und meine starken
Arme werden den Schrank vor ihre Thür
setzen, so leicht, als wäre es ein Stuhl
— denn wenn ihr Blick mich trifft, muss
meine bewaffnete Hand erlahmen.
Armer Bruder, warum sind Deine Blicke
nicht unschuldig mehr? Ich werde sie nicht
sehen im Dunkeln.
Kleines Herbstblatt, Du sollst schlafen
mit den schlummernden Saiten der Violine
über Deinem Haupte — dass sie mich
nicht hindere, das Gute zu thun — o,
dass Du morgen nicht zu erwachen
brauchtest!
Die Nacht ist bald da — die stille
Nacht.
Nicht ich, mein Bruder, nein, Du
sollst fort — weit, weit fort, und nie
zurückkehren.
Beatrice, Deine Seele wird leben —
aber meine wird sterben.
Die Zeit ist bald da — ich ver-
stecke das Buch — —
Mary, kleines Herbstblatt, jemand hat
mir Papier und Feder hingelegt — es ist
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lange her, seit ich schrieb — ich fürchtete
mich, zu schreiben — aber heute fürchte
ich nichts, denn ich habe Dir eine grosse
Freude zu verkünden: Alles ist Frieden!
Der Professor ist ein guter Mann, er
kam gestern hinein in meine Zelle, aber
ich erhob mich nicht, denn ich war sehr
matt. Er hielt mir einen Brief hin —
und ich streckte nicht die Hand danach,
denn er war nicht von Dir. Er lächelte,
öffnete ihn — und ich las in goldener
Schrift:
Johannes — ich vergebe!
Beatrice.
Noch eine lange Weile lag ich still
— meine dunkle Zelle aber war erfüllt
mit einer himmlischen Klarheit. Der
Professor beugte sich über mich und
sagte mild: Ja, weine, Johannes, weine,
mein Freund — und er schloss leise die
Thür hinter sich —
Alles ist Frieden!
Der Schrei der Alten hallt nicht mehr
in meinen Ohren wieder. Der mit dem
rothen Mantel steht nicht mehr in einer
Ecke und flüstert hohnlächelnd: Du wirfst
mich nicht fort — ich muss hinein in
Dein weisses Buch und dessen Blätter
voll bluten.
Der leblose Körper meines Bruders
mit dem unheimlich starrenden Blick liegt
nicht mehr Tag und Nacht an meiner
Seite —
Heute Nacht kam auf den leichten
Flügeln des Traumes ein Kind an mein
Bett und sagte mit holder Stimme:
»Komm, Du bist der Starke, der mich
tragen wird über die Abgründe durch
das Thal der Schatten.« Und ich ant-
wortete: »Gregor, ich komme.«
Leg’ Deine Hände auf das Haupt
der Alten und sprich: So segnet Dich
Der, der in der Verdammnis war.
Mary, verlass’ dann die Alte eines
Tages, nimm Deine Violine und spiel’
mich in Schlaf. Leg’ das weisse Buch
auf mein Herz — wo Beatrices Brief
ruht.
Bereite mein Grab, wo die Blätter
des Herbstes regnen!
Leb’ wohl, kleine Schwester — — —
Beatr — — — — — — — — —
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