Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 16, S. 379

Das Lied des Matrosen (Kipling, Rudyard)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 16, S. 379

Text

KIPLING: DAS LIED DES MATROSEN.

Ferne schon lag uns das Land. Einzig die blauen
Nächtlichen Fluten rundum konnten wir schauen.
Still wars; es schien, dass der See menschengleich schliefe,
Ehe das wachsende Licht brach aus der Tiefe.

O und dann stieg sie empor, Leben und Wonne
Bringend, die Herrin des Alls, selig die Sonne.
Nahe — kaum mocht’ es der Blick schmerzend erleiden —
Schlug sie die Pforten der Welt auf vor uns beiden.

Lange verharrten wir so schweigend im Traume,
Aber der Gott nun gebot Umkehr dem Baume.
Rück zu der Küste, den mordgierigen Horden
Sorgenlos glitten wir hin, heilig geworden.

Und die mein Leben geheischt, Sühne dem Raube,
Siehe, da lagen sie all bebend im Staube.
Über die Nacken des Volks durften wir treten,
Denn sie erschauerten bang vor den Propheten.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 16, S. 379, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-16_n0379.html)