|
kleidet in das Symbol seiner viel-
farbigen Masken — vom lichtesten
Frohsinn bis zum düstersten Ernst.
Emporgeläutert zum Ewigen möge
das Augenblickliche sich darstellen
und dadurch nur noch umso wirk-
licher und — je nach seiner Art —
umso freundlicher oder schreck-
hafter erscheinen!
Unsterblich sind nur die Werke,
die selbst Unsterbliches verkünden.
Deshalb wollen wir nicht länger die
kleinen und kleinlichen Ausnahmen sehen,
die uns den Sinn unseres Daseins doch nie
erklären, höchstens nur bestätigen können.
Nein, die grosse Regel im immer
wiederkehrenden Leben unserer Gedanken,
Gefühle, Leidenschaften, zeige sich und
lehre uns, ahnend das Mysterium der
Schöpfung verstehen, ahnend ihr allge-
meines Gesetz erkennen. Vor unseren
Augen offenbare sich: wie der unendliche
Weltwille und der endliche Einzelwille
schliesslich doch dasselbe und einander
nur Symbol sind — beide gehorsam dem-
selben unerbittlichen Zwange, von dem
Alles, was an der Natur Inhalt, wie was
Form an ihr ist, zu beider Einheit, zum
Austausch der belebenden Kraft und des
belebten Stoffes gebändigt wird Die
Nothwendigkeit werde fühlbar, mit und
aus der heraus sich Alles im Sein ergänzt,
Alles im ewigen Wechsel von Vergehen
und Entstehen eine lebendige Beharrlich-
keit des Werdens ist!
Eine solche, Ausdruck gewordene, schwere
Nothwendigkeit sei auch seinerseits das
Kunstwerk: eine Ergänzung der Natur in
der Natur, Inhalt von ihrem Inhalt, Form
von ihrer Form — dabei aber doch mehr
als die Wiedergabe ihres nackten Wesens!
Ihr in mächtiger Synthese umfasster Sinn
vielmehr, ihr göttliches Räthsel und dessen
menschliche Lösung in Einem.
Beide, Natur und Kunst, sind ja be-
wegt um dieselbe Centrale, von denselben
|
Kräften getrieben. Nur dass diese Kräfte
in der ersteren — für unsere Begriffe wenig-
stens — unwillkürlich arbeiten, im Kunst-
werke aber von dem stärksten Menschen-
bewusstsein, das ist: von dem Schöpfer-
bewusstsein gespeist werden; doch so,
dass die Bewusstseinsäusserung, das Sicht-
bare an der betreffenden Schöpfung, die
Form, der technische Apparat als solcher
nicht wahrgenommen werden darf! Woher
es wohl kommen mag, dass wir vor dem
grössten einheitlichsten Kunstwerke wie
vor einem Wunder stehen, von dem wir
nichts zu sagen wissen und wünschen,
als den weiten umfassenden Weltgenuss,
den wir von ihm haben — während wir
über Werke, die noch mit der Form
ringen, hin und wieder streiten können
und uns weniger an ihnen selbst, als an
ihrer Kritik freuen.
Heute nun sind wir wieder auf dem
Wege zu solchen Wundern, zu Büchern
und Bildern, die uns den Zusammen-
schluss der Werte, die sie ausdrücken
wollen, in jenem mystischen Punkte
zeigen, auf den sich alle, auch die mini-
malsten Kräfte im Kosmos, beziehen.
Es wird immer spürbarer: Unsere
Tage drängen vom Experimente weg,
das uns schliesslich nichts als den Vorder-
grund der Erscheinungswelt sehen liess —
drängen nach einer grossen Gleich-
gewichtskunst, die alle Erscheinungen
in ihr ewiges Verhältnis setzt und das
zeitliche Leben wie ein majestätisches
Panorama vor unser Staunen legt.
So ist zu hoffen, dass wir an eigenen
Kunstwerken empfinden werden, was den
beiden Männern, die als die ersten den
Kunstmasstab anzulegen suchten, von dem
hier die Rede ist, — was einem Nietzsche
als hellenischer Mythus an der Antike
und was dem Rembrandt-»Deutschen«
als erdgeborener Culturausdruck an der
uns näherliegenden niederländischen Re-
naissance so feierlich erschien.
|