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es gibt ein Ding, das sie nicht zustande-
bringen kann, und dies ist gerade jenes
Ding, worauf die Conferenz ihr Augen-
merk richtet: nämlich die Verringerung
der militärischen Streitkräfte. Die Staaten
können ihre Heere nicht nur nicht aus
eigenen Stücken vermindern, sie können
nicht einmal auf dem Wege der Bewaff-
nung stehen bleiben. Sie können dies um-
soweniger, als sie gegenwärtig die Manie
haben, neue Besitzungen zu erwerben. Die
einen in Asien, die andern in Afrika, die
dritten in Europa; und sie alle müssen
darnach streben, jene Theile ihrer Be-
sitzungen, deren Einwohner nach Befrei-
ung trachten, ihrer Herrschaft zu erhalten.
Angenommen, der Zweck der Con-
ferenz besteht darin, den Gebrauch dieser
und jener Zerstörungsmittel zu verbieten,
die als besonders grausam gelten, und nur
jene Vertheidigungsmittel zu gestatten, die
wirklich bloss den Wert der Vertheidi-
gung haben: — was kann man Leuten
thun, die sich schlagen und im Kampfe
gerade die empfindlichsten Theile der
Gegner zu verwunden suchen? Welch
fürchterlicher Witz ist diese Idee, die
Zerstörungsmittel heiligen zu lassen? Wahr-
haftig, es ist seltsam, dass sich Menschen
von reifem Alter und gesunden Sinnen
für derlei Albernheiten zu interessieren
vermögen.
Ich möchte nun auf andere Erwägun-
gen eingehen. Über die Weigerung jener
Individuen, denen ihr Gewissen nicht zu
morden erlaubt und die deshalb den
Kriegsdienst ablehnen, kann die Conferenz
nicht discutieren. Diejenigen, die sich auf
Grund ihrer Überzeugung weigern, Militär-
dienste zu verrichten, werden von jeder
Regierung in gleicher Weise behandelt,
wenn auch vielleicht hie und da weniger
grausam, als dies die Duchoborzen seitens
der russischen Machthaber erfahren haben.
Zur selben Zeit, da die russische Re-
gierung ihre angeblich friedlichen Ab-
sichten kundgab, marterte, ruinierte und
exilierte dieselbe Regierung die edelsten
Männer Russlands aus dem einzigen
Grunde, weil sie sich geweigert hatten,
Militärdienste zu leisten. Alle übrigen
europäischen Staaten würden im Falle
einer ähnlichen Weigerung in der näm-
lichen Weise handeln.
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Sie können auch nicht anders
handeln. Denn da sie ihre Interessen mit
jenen Kräften verfechten, die von einer disci-
plinierten Armee gewährleistet wird, können
sie auch nicht zugeben, dass die Vermin-
derung jener Kräfte und folglich ihrer
Macht, von dem zufälligen Belieben ein-
zelner Individuen abhänge; und dies um-
soweniger, als es doch wahrscheinlich ist,
dass, wenn dieser Weigerung stattgegeben
würde, die meisten Menschen — niemand
liebt es, zu tödten oder getödtet zu werden
— die Arbeit unbedingt dem Militärdienste
vorziehen würden. Auf diese Weise würde
die Möglichkeit, den Militärdienst durch
die Arbeit zu ersetzen, augenblicklich so-
viel mehr Arbeiter und soviel weniger
Soldaten liefern, dass es kein Mittel mehr
geben dürfte, die Arbeiter zum Arbeiten
zu zwingen. Die Liberalen, die Socia-
listen und andere, oder, wenn man will,
die Menschen mit fortschrittlichen An-
schauungen mögen, begeistert von ihrem
Redefluss, annehmen, dass ihre Reden in den
Parlamenten, ihre Vereinigungen, Strikes,
Broschüren etc. sehr wichtig für den Fort-
schritt der Menschheit seien, und dass
die Weigerung des Einzelnen, dem Sol-
datenstande anzugehören, eine That von
unwiderstehlicher Bedeutung sei. Aber die
Regierungen wissen sehr wohl, was wichtig
ist und was es nicht ist. Und solche
Weigerungen werden sie niemals zulassen;
im Gegentheil, sie werden sich jener
Menschen in aller Stille entledigen und also
die Gesellschaft säubern. Solange die
Staaten darauf ausgehen, nicht nur neue
Besitzungen zu erwerben (die Philippinen,
Port Arthur), sondern auch, den Besitz der
bereits eroberten (Polen, Indien, Elsass,
Algier, Egypten) zu schützen, werden sie
auch die Armeen vergrössern; und so-
lange diese Staaten ihre Unterthanen mit
Gewalt beherrschen, werden sie der-
gleichen Weigerungen niemals hinnehmen,
vielmehr heimlich zu ersticken suchen.
Die Abrüstung wird nicht eher zu-
stande kommen, bevor nicht die Menschen
aufgehört haben, für Dressur empfänglich
zu sein. Die Menschen werden nicht
eher aufhören, sich dieser Dressur zu
unterwerfen, bevor nicht die Menschen-
würde in ihnen erwacht ist. Dieses Er-
wachen wird sich vollziehen, sobald sich die
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