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die Stelle der theologischen Speculation
wird die Erkenntnis der dem Menschen
selbst innewohnenden höheren Natur
treten, und wenn alle Menschen sich in
dieser innerlichen Gotteserkenntnis zu-
sammenfinden, der Friede auf Erden ge-
sichert sein. Dass dies aber nicht schon
im Anfange des nächsten Jahrhunderts,
plötzlich und Knall und Fall geschieht,
ist jedenfalls sicher.
Vergleichen wir mit den Vorher-
sagungen der Puranas die Prophe-
zeiungen der Bibel, so finden wir eine be-
merkenswerte Übereinstimmung zwischen
den beiden. So heisst es z. B. in
Matthäus XXIV.: »Sehet Euch vor, dass
Euch niemand verführe, denn es werden
Viele unter meinem Namen auftreten und
sagen: »Ich bin Christus!« und Viele irre-
führen. Auch werdet Ihr von Kriegen und
Kriegsgerüchten hören; aber seht Euch
vor und lasset Euch nicht in Unruhe
versetzen. Alles dieses muss geschehen;
allein noch ist das Ende nicht da. Denn
es wird Volk wider Volk und Reich
wider Reich aufstehen, es werden Hungers-
nöthen, Seuchen und Erdbeben bald da,
bald dort sein und wegen der über-
handnehmenden Gesetzlosigkeit wird
bei Vielen die Liebe erkalten.«
Solche Zustände waren aber schon
öfters da und sind stets vorhanden, ehe
ein grosser Zusammenbruch erfolgt. Keine
specielle Zeit ist dabei angegeben, wann
diese Ereignisse eintreten werden, wie
denn überhaupt die Beschreibungen der
Bibel sich nicht auf einzelstehende Er-
eignisse beziehen, sondern auf Vorgänge,
die sich stets wiederholen. Ferner heisst
es: »Bald aber nach der Noth jener Zeit
wird die Sonne verdunkelt werden, der
Mond seinen Schein nicht geben; Gestirne
werden vom Himmel fallen, und der
ganze Sternenhimmel wird erschüttert
werden. Dann wird das Zeichen des
Menschensohnes am Himmel erscheinen.«
Wenn wir bedenken, dass die Bibel kein
Lehrbuch der Physik ist, sondern dass
es sich darin um geistige Dinge handelt,
so erscheint diese Beschreibung ganz
richtig. Die Sonne der Weltweisheit wird
von dem Lichte der Gotteserkenntnis ver-
dunkelt werden, der Mond der Phantasie
wird keine theologischen Speculationen
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und Schwärmereien mehr gebären, viele
Dogmen, die jetzt noch durch den
Autoritätenglauben am geistigen Himmel
der Menschheit festgenagelt sind, werden
vom Himmel fallen, und die ganze bis-
herige Weltanschauung wird erschüttert
werden. Auch wird am Himmel der
Menschheit das Zeichen des Menschen-
sohnes erscheinen, weil in ihrem Gemüthe
das Bewusstsein des Menschlich-Gött-
lichen erwachen und durch entsprechende
gute Werke offenbar werden wird. Wenn
jemand sagen wird: »Hier ist Christus
und dort ist Christus«, so wird ihm
niemand mehr glauben, weil jeder wissen
wird, wo die Gottheit in der Menschheit
zu finden ist. Auf den Antichrist brauchen
wir auch nicht zu warten, er ist die
Selbstsucht in jeder Form und schon
längst vorhanden, und was das »Thier
der Apokalypse« betrifft, so reitet die
Kirche schon längst auf demselben
herum, im Äussern wie im Innern; denn
es ist nicht nur der Clericalismus, dessen
Selbstinteressen der wahren Religion stets
entgegengesetzt sind, sondern auch die
eigene Habsucht, die in Jedem und über-
all der Erkenntnis und Ausübung der
Wahrheit im Wege steht. Wenn sich
in unserem Innern eine neue Welt-
anschauung eröffnet, dann geht unsere
alte Welt unter, und was für den Ein-
zelnen gilt, das gilt auch für ein Volk
oder für die Menschheit als Ganzes.
Lassen wir sie denn in Frieden unter-
gehen; wir haben nichts zu befürchten
dabei, wenn auch das lichtscheue Volk der
Fledermäuse und Nachteulen sich ängst-
lich in seine Höhlen verkriecht. Die alten
Systeme haben ihre Schuldigkeit gethan
und können sich zurückziehen; die Welt
ist mit Theorien überfüttert und sehnt
sich nach Thaten. Die Liebe zur Wahr-
heit und zum Nächsten, von der bisher
so viel gesprochen wurde und die man
so selten sieht, soll zur lebendigen Kraft
werden, die sich in Werken der Liebe
offenbart; dann werden die modernen
Götter zu ihren Vorgängern in die
Rumpelkammer wandern, und der sich
seiner wahren Menschenwürde bewusste
Mensch seine Einheit mit Gott und da-
mit sich selbst als den Herrn dieser Erde
erkennen.
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