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wieder befand, ward sogar in den höchsten
Kreisen alsbald geflüstert: Monseigneur
Lavigerie befand sich auf dem Schiffe. Er
selbst wurde gerettet, doch kamen vier
oder fünf der Passagiere um.
Als später Lavigerie wegen seiner
bekannten Agitationen für die Anerkennung
der Republik im Vatican in Frankreich
eine der gefeiertsten Persönlichkeiten wurde,
hat man sich wohl nicht mehr an seinen
früheren Ruf als »Gettatore« erinnert.
Von dem verstorbenen päpstlichen Nuntius
Clari wurde gleichfalls behauptet, dass er
in Rom als »Gettatore« galt. Als er vor
einigen Jahren in Neapel war, brach
plötzlich die Cholera aus. Als er in
Moskau beim Krönungsfeste des Czaren
den Papst vertrat, erfolgte die furchtbare
Katastrophe, die so vielen Menschen das
Leben kostete. Am meisten wurde aber
von seinen »Gettatore«-Eigenschaften ge-
sprochen, als nach seinem Segen die
Feuersbrunst im grossen Bazar in Paris
ausbrach.
Man hat bereits die verschiedensten
Gründe für den Volksglauben an den
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»bösen Blick« zu finden gesucht. Einige
nehmen an, dass es thatsächlich gewisse
»Gettatori«« gäbe, die, ähnlich den modernen
Hypnotiseuren, ihre Versuchspersonen durch
Fixation zu bannen suchen, eine Erklärung,
die z. B. auf die berichteten Fälle des
Aberglaubens keine Anwendung finden
kann. Andere giengen sogar soweit, zu
behaupten, dass der »böse Blick« nichts
anderes sei, als eine »Kraftwirkung aus
der Ferne«, die ganz unbewusst und
unabsichtlich durch das neuerdings in
Erklärung gewisser hypnotischer Phäno-
mene so viel besprochene »Unterbewusst-
sein« (Subliminalbewusstsein) des Menschen
vollzogen werden könne. Doch sind wohl
alle derartigen Erklärungsversuche, da die
Annahme von rein zufälligem Zusammen-
treffen des Unglücks mit der Anwesenheit
des »Gettatore« bei den meisten Berichten
über das »Mal’ occhio« doch so naheliegt,
ziemlich überflüssig, und die stets wieder-
holten Erzählungen über »Gettatori« wohl
nur ein Beweis, wie lange das Volk an
einem traditionellen Aberglauben festzu-
halten pflegt.
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