|
wurde. Zwei Tage nach demselben war
Cardinal d’Andreac nicht mehr unter den
Lebenden. Selbstverständlich war wieder
der »Gettatore Pio Nono« der Schuldige.
Das Misstrauen gegen letzteren gieng
sogar so weit, dass man seinen Segen für
schädlich hielt. Schon früher, mehrere Jahre
vor diesen Unglücksfällen, soll angeblich ein
Luftschiffer durch Pio Nono seinen Tod
gefunden haben. Dieser Luftschiffer wollte
in Rom mit einem Ballon aufsteigen. Das
war damals daselbst ein grosses Ereignis. Man
erzählte, dass sich der Kühne vor dem
Aufstieg den Segen des Papstes erbeten
und denselben auch erhalten habe. Obschon
er nun bei günstigem Wetter aufgestiegen
war, verunglückte er, woran die Schuld
wieder nur der »Gettatore Pio Nono«
trug. Das wurde für das abergläubische
Volk schon dadurch bestätigt, dass, nach-
dem mehrere Jahre hindurch die Luft-
schiffahrt in Rom verboten war, später
einmal eine Französin in der Umgebung
Roms, ohne päpstlichen Segen, einige
Aufstiege, und zwar auf einem unter dem
Ballon befestigten und schwebenden Pferde,
unternahm, aber trotzdem wieder glücklich
zur Erde kam.
Pius IX. pflegte über den ihm be-
kannten Volksaberglauben zu scherzen. Als
im Mai 1868 ihm zu Ehren ein Fest
veranstaltet wurde, und auf den Plätzen
Roms Statuen und Triumphbogen errichtet
waren, zögerte er eine Zeitlang, die
Fahrt durch die Stadt anzutreten, und
sagte: »Wenn irgend ein Unglück ge-
schieht, dann hat es wieder der Getta-
tore gethan.« Schliesslich erklärte er
sich doch zur Fahrt bereit. Am Abend
desselben Tages fiel dann eine Statue,
die ihn darstellte, auf der Piazza dei Santi
Apostoli vom Piedestal und verletzte
mehrere Personen. Das war natürlich nur
die Rache des »Gettatore« für das Miss-
trauen des Volkes gegen ihn.
Nicht minder interessant und charak-
teristisch sind einige Berichte über den
»Gettatore« Cardinal Lavigerie, der nicht
nur in Italien, sondern auch in Frankreich
wegen seines »bösen Blickes« gefürchtet
war. Wellmann erzählt hierüber Folgendes:
|
Auf meiner Seereise von Marseille nach
Rom (bezw. Cività-Vecchia) im Jahre
1867 befand sich ein hoher französischer
Geistlicher, Monseigneur Lavigerie, auf
dem Dampfschiffe. Auch dieser stand im
Rufe, ein »Gettatore« zu sein Es
war ein unbezahlbares Schauspiel, die
Miene des Dampfschiffcapitäns in Mar-
seille zu beobachten, als Mgr. Lavi-
gerie mit überquellender Freundlichkeit
und entgegengestreckter Hand auf ihn
zugieng und sich zur Überfahrt auf seinem
Schiffe vorstellte. Einem hohen kirchlichen
Würdenträger gegenüber liess der franzö-
sische Capitän die Höflichkeit nicht
ausseracht; auch er lächelte verbindlichst
und erkundigte sich theilnehmend nach
Monseigneurs Gesundheit, denn dem
»Gettatore« muss man entweder aus-
weichen oder, wenn man unvermeidlich
mit ihm zusammentrifft, ganz freundlich
mit ihm reden, um ja nicht sein Missfallen
oder Übelwollen zu erregen. Jedenfalls
aber streckt man ungesehen in der Tasche
den zweiten und fünften Finger ihm
entgegen. Kaum hatte sich Monseigneur
Lavigerie von dem Capitän entfernt, so
stürzte letzterer an das andere Ende des
Schiffes und in einem Winkel bei altem
Tauwerk und Kisten machte er seinem
Ärger über den höchst unwillkommenen
Passagier, den Priester* und »Gettatore«,
in mehreren kräftigst herausgestossenen
Flüchen Luft.
Es war fast komisch zu beobachten,
wie unmuthig und unwirsch der Capitän
von jenem Augenblick an sich zeigte; im
heftigsten Sturme hätte sein Gesicht nicht
sorgenvoller umwölkt sein können, als in
der Nähe jenes freundschaftlichen und
cordialen Monseigneurs Lavigerie
Und dabei behauptete dieser Capitän,
ein Freigeist von reinstem Wasser — ein
enthusiastischer Voltaireaner zu sein
Unsere Fahrt wurde sehr stürmisch, währte
länger als gewöhnlich, allein wir landeten
doch endlich wohlbehalten in Cività-Vecchia.
Kaum ein Jahr später, 1868, gieng jedoch
ein Postdampfer zwischen Marseille und
Cività-Vecchia unter. Als die Kunde hie-
von in Paris eintraf, wo ich mich damals
|