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dem hoheitsvollen Blicke des Gottmenschen
zu Boden. So heilte auch Jesus durch den
Willen. Bei ihm waren ja Wort, Wille und
That eins. Auch die Heiligen wirkten durch
eine grosse Concentrierung ihrer geistigen
Kraft direct auf Andere und selbst auf
grosse Entfernungen.
Den Vorgang muss man sich also etwa
so vorstellen: Der Mensch nimmt seine
ganze moralische Kraft zusammen, sei es,
dass er an einen persönlichen Gott denkt
oder an was immer, das höher und besser
ist als er. Seine concentrierte Denk- und
Willenskraft geht aus dem Gehirn durch
den Äther — das Vehikel der Geisteskraft —
zu der Stelle, zu der sie hingelenkt werden
soll. Die Gedankenfiguren der Mutter
schweben in Gestalt von Engeln um das
kranke Kind und versuchen durch die ihnen
innewohnende Kraft das Übel zu beseitigen.
Da nun — wie bekannt — feinere, also
geistigere Kräfte mit Sicherheit auf rohere,
also körperliche, wirken, so muss der Effect
der sein, dass die feineren, geistigeren,
stärkeren, edleren die schwächeren, roheren,
körperlichen zurückschlagen. So kann das
fromme Gebet eines hingebenden Menschen
in der That »Wunder« thun, auch heute
noch.
Wie kommt es nun, dass das Gebet
nicht immer diese Wirkung hat? Die Be-
antwortung dieser Frage ist zu compliciert,
um sie hier ausführlich zu besprechen.
Ich werde das später in einer anderen
Arbeit thun. Hier nur einige kurze An-
deutungen.
Soll das Gebet auf einen Menschen
direct wirken, so muss der Betreffende, auf den
gewirkt werden soll, auch empfänglich sein.
Setzt er der Wirkung eine zu starke Gegen-
strömung entgegen, so wird sie natürlich
illusorisch. Wenn der Arzt einem Menschen
etwas suggerieren will und dieser leistet
Widerstand, so geht es nicht. So ist es
auch beim Gebet. Daher heisst es sogar
bei Christus, er habe in einigen Landes-
theilen keine Krankenheilungen ausüben
können, weil man nicht an ihn geglaubt
habe. Der Glaube war also doch nothwendig.
Die Araber leisteten Grosses, weil sie durch
einen von sich fest überzeugten Fanatiker
beherrscht waren und blindlings an ihn
glaubten. Der Glaube versetzt, wie Christus
selbst sagt, Berge.
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Nun hat man die Beobachtung ge-
macht, dass Menschen im Zustande der
Erregung leichter beten, als wenn sie in
normalem Zustande sind. Auch Strind-
bergs Erzählung ist ein sprechender Be-
weis dafür. Bei einem Menschen in Furcht,
Todesangst, Begeisterung und Ähnlichem
tritt der Körper zurück und die Kräfte der
Seele wachsen. Daher wird hier die Wir-
kung eine magische. Die Asketen des
Mittelalters wussten das wohl. Sie fasteten
daher stets, wenn sie ein kräftiges Gebet
sprechen wollten, und die Mönche sind
heute noch zur Askese, katholische Geist-
liche zur Enthaltsamkeit verpflichtet. Be-
sonders schrieb man reinen Jungfrauen
Macht über den »Teufel« zu — mit vollem
Recht, denn ihre reinen Herzen schwingen
sich zu höheren Sphären, als es dem matten
Geistesfluge irdisch gesinnter oder gar be-
fleckter Seelen möglich ist. Wer aber im
Namen Christi betet, der hat die Ver-
heissung des Erfolges. Das will sagen:
wessen Seele schon so hoch steht, dass
sie nur noch rein Geistiges umfasst, der
durchdringt siegreich alle Hindernisse.
Ich fragte einmal einen Brahmanen,
der geistig sehr hoch steht, ob er bete.
Er antwortete mir: »Wir beten nicht,
aber wir wirken.« Ich habe dann später
die geistige Einwirkung dieses Brahmanen
auf mich erfahren. Aber natürlich setzt
dies voraus, dass die geistigen Kräfte
schon sehr ausgebildet sind. Doch auch
im denkbar günstigsten Falle, bei der
geistig höchsten Kraft ist es unmöglich,
den festen Willen eines Menschen zu
unterjochen. Wer sündigen will, der sün-
digt auch trotz des Gebetes. Aber wie
ein Wassertropfen allmählich den Stein
höhlt, so kann die Wirkung des Gebetes,
die anfangs klein war, auch immer grösser
werden. Wie viel mag die fromme Monika
zur Umkehr ihres Sohnes, des späteren
heiligen Augustinus, beigetragen haben!
Heilige, mässige Menschen haben meistens
fromme Mütter gehabt.
Denken wir uns nun einen Menschen,
der um irdische Dinge bittet. Hat dieses
Gebet einen Erfolg? Ganz gewiss. Nur
entspricht dieser Erfolg aus erklärlichen
Gründen nicht immer dem Wunsche des
Betenden. Andere, grössere Kräfte wirken
oft zu gleicher Zeit entgegen und ver-
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