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hindern die Erfüllung. Nehmen wir an,
die Bewohner eines Dorfes bitten eifrig
um Regen, die Bewohner eines anderen
aber um das Gegentheil, so kann es
natürlich nicht zu gleicher Zeit regnen
und Sonnenschein sein. Ist bei den
den Regen Wünschenden ein geistig sehr
hochstehender Mensch und entschliesst er
sich (was er gewiss selten thun wird),
seine Kraft in den Dienst irdischer Inter-
essen aus irgend einem geistigen
Grunde zu stellen, so mag seine con-
centrierte Willenskraft auf die Region
wirken, von wo der Regen kommt, und
mag den Regen zwingen, herabzukommen.
Aber verloren ist deshalb die geistige
Anstrengung der Gegenpartei darum nicht.
Wir wissen nicht, ob sie nicht Anderen
zugute kommt, denen der Regen nöthiger
ist. Wir wissen nicht, ob wir nicht
alles Gute den frommen Wünschen An-
derer verdanken, die besser sind als wir,
die wir aber nicht kennen. Denn da
oben ist Einheit; nur unten ist Vielheit.
Alle gute Gabe und alle vollkommene
Gabe kommt von oben herab, vom Vater
des Lichtes, sagt die Schrift. Gott, das
heisst die Urkraft, könnte aus sich selbst
heraus alles thun. Er wünscht aber,
dass auch die Menschen ihr Theil daran
haben. Daher empfiehlt Christus fort-
während das Gebet, natürlich nicht das
Lippengebet, sondern die geistige An-
näherung an das Höchste, das wir uns
vorstellen können und das wir Gott zu
nennen pflegen.
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Aber nicht einmal das Lippengebet
ist ganz zwecklos. Die bestimmten Laute,
in bestimmter Weise ausgesprochen, gehen
in die geistige Atmosphäre, wohin sie
bestimmt sind. Sie machen da den
durch die Geistesgesetze bestimmten Ein-
druck, setzen sich dort um und kommen
als bestimmte Wirkung wieder herunter.
Jeder Ton hat eine bestimmte Wirkung.
Daher die heiligende Wirkung erhabener
Musikwerke. Es hören viele Leute z. B.
Wagners »Parsifal«, ohne ihn »zu ver-
stehen«; aber sie haben doch eine unmittel-
bare, grosse Wirkung auf die Seele. Schon
Orpheus bezwang die Natur durch heilige
Worte mit Harfenschlag. Daher spielten
auch schon bei den ältesten arischen
Priestern die Mantras eine so grosse
Rolle. Sie werden noch heute nach
mündlicher Überlieferung auf dieselbe
feierliche Weise gesungen oder rhythmisch
vorgetragen wie vor Jahrtausenden. So
bestehen die lithurgischen Gebete der
katholischen Kirche aus solchen Mantras,
und vermessen wäre es, ihre Wirkung zu
leugnen. Der Exorcismus macht Wirkung
so gut wie das schauerlich klingende Dies
irae der Todtenmesse. Hier wirkt — von
der Menge meist unverstanden — jener
erhabene Geist, den die Kirche den
heiligen nennt. Wir aber sollen unsere
subjective Kraft fromm vereinigen mit der
objectiven, auf dass der Segen auf die
ganze Welt niederträufele durch den Geist,
der vom Himmel ausgeht.
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