|
Zu jenen Schutzmitteln, welche ein
dilettantisches Unvermögen zu decken
geeignet scheinen, gehört die Sitte,
den Dialog mit aufdringlich belehrsamen
Bühnenanweisungen zu unterbrechen, wo-
durch ein interessantes Stammeln, eine
vornehm angeschminkte Dunkelheit — bei
aller frechen Deutlichkeit — das Werk mit
fremdem Zauber umgeben möchte: ein
liebenswürdig chaotischer Dichter verkünde
aus kindlichen Seelentiefen herauf stotternd
die anmuthige Zerrissenheit, die Ungewisse
zitternde Qual eines zerklüfteten Lebens.
Denn das »Chaos«, das herausgestossene
Wilde — sie nennen es Leidenschaft und
Stärke — ist ja der Stolz unserer jungen
Poeten geworden. Vielleicht ist es bald
möglich, zu sehen, welche Leerheit und
Armuth sich hinter solchem Lärm verbirgt.
Schreien ist immer eine Unehrlichkeit
oder eine Schwäche. Nichts anderes ver-
kündet uns das zwiefache Geschrei in
solch zerhackten Stücken: das Geschrei
(oder Geächze) der Personen im Dialog,
das Geschrei des Autors in den Bühnen-
weisungen. Möchten sich die Autoren nicht
fragen, was eigentlich im Drama das
Leben sei und der Träger des Lebens?
Möchten sie ihre Ehrlichkeit nicht lieber
gegen sich selbst richten, anstatt mit
falschem Freimuth, der beleidigt, in das
Stück hineinzurufen, wie sie dies und
jenes aufgefasst haben wollen? Fühlt Ihr
nicht, wie Euer deutender Finger jedes
|
aufsteigende Bild, jede zarte Stimmung,
die wir gerne erwarten möchten, durch-
sticht? Denkt Ihr, unsere Ohren seien so
hart, nicht den Missklang Eurer gellen
Stimme zu hören, wo Ihr uns Harmonien
versprecht? Barbaren! Dies ist Barbarei
und rechte Unbildung, anfänglichster Zu-
stand der Seele und der Sinne, dass
keiner abwarten will, sondern mit rohem
Lärm vordrängt, eh’ Bild und Stimmung
sich wachsend entwickeln konnte; dass
die Sinne nicht geschärft dafür sind, was
schön ist und was hässlich, was einen
Einklang gibt und was ein wüstes Gewirre.
Nicht einmal ihre Tugenden weiss Bar-
barei geschmackvoll zu zeigen, noch ihre
Schwächen schicklich zu verhüllen. Ihr
fühlt nicht, wie schändlich es ist, in das
Organische, Feinste, Zarteste: das Kunst-
werk — das Unorganische, Starre, Todte:
die handwerkliche Anmerkung einzukeilen.
Trockenes Holz in blühendes Fleisch: eine
Marter! Aber freilich, sie empfinden wohl
dunkel, dass es kein Kunstwerk ist, was sie
so grausam zerfleischen, dass es Holz von
ihrem Holze ist — und sie mögen Recht
haben. Nichts lächerlicher und schmerz-
licher zugleich, als zu sehen, wie sich
Gegensätze aus ewig fremden Kreisen
verschmelzen sollen. Und nochmals:
Barbaren!
Doch nicht nur dies. Auch Schwäch-
linge sind sie. Die jener breiten Bestimmt-
heit bedürfen, zeigen, dass ihre Gestalten
|