|
Es wird jetzt in Wien und anderwärts
mit pythischem Applomb recht kennerisch
süffisant vom »rein Malerischen«, »rein Zeich-
nerischen«, »rein Artistischen« gesprochen.
Dazwischen mischt sich der unreife Discant
jener apodiktischen Alleswisser, die von Linien-
spielen, Flächenwirkungen, decorativen Stilen
und anderen Kostbarkeiten verhandeln, als gälte
es ein Privatissimum über Christbaumlichterchen
oder Goldnüsse. Wahrlich, auf keinem zweiten
Gebiete intellectueller Bethätigung zeigt der
zeitgemäße Brauch, in vielen Worten nichts
zu sagen, ein so dickbäuchiges Gehaben.
Das »Kunstschwätzen« ist in Flor gekommen.
Der »Kunstschwätzer« entwickelt sich zu
einem gesellschaftlich beliebten, rein decora-
tiven Amphibium, das sich inmitten seines
Horizonts, der eng ist wie eine Glaskrause, an
erborgtem Spiritus vollsaugt — und emphatisch
beguckt wird.
Anlässlich der letzten Kunstausstellungen,
die soeben in Wien eröffnet wurden, sei
Folgendes gesagt:
Eine Aufzählung des Gebotenen, der
Künstlernamen und Bildtitel, darf hier als über-
flüssig betrachtet werden; derlei ist von den
Zeitungen wohl oft genug den Katalogen ent-
lehnt worden. Auch eine Beschreibung der
Bildwerke mag hier vom übel sein; denn
darin gefällt sich die Spezies »Kunstfeuilleton«
noch immer bis zum Überdruss, in jener
after-lyrischen Stimmungsprosa, die wie
Faulholz im Dunkeln funkelt. Der ernste
Kopf aber sollte wissen, dass man ein
|
gutes Musikstück oder ein gutes Gedicht
unmöglich schildern kann, und daraus wäre
die Nutzanwendung auf die Malerei zu ziehen;
wo das Beschreibliche beginnt, hört das
Künstlerische auf. Im übrigen spricht der
Kunstreferent nicht zu jenen, die das Be-
sprochene noch nicht gehört oder gesehen
haben; denn keinesfalls wird er ihnen das
verdeutlichen können, was den Weg durch die
eigenen Sinne nehmen muss, um in der Seele
des Schauenden oder Lauschenden individuell
zu reifen. Er spricht aber auch zu jenen
nicht, die dies bereits besorgt haben; diesen
wird er das Vacuum an instinctiver Eigen-
kraft nicht füllen können, denn das Beharrungs-
vermögen der menschlichen Seele, die dem
Ansturm sinnlicher Wirkungen nach innen hin
nachgibt, lässt auch nachträglich das nicht ein,
was bei geöffneten Thorflügeln an Widerständen
sich gebrochen hat. Er spricht aber auch zu
sich selbst nicht, da er sich doch vor Lesern
und Hörern in die Brust wirft. Also führt sich
jeder Kunstkritiker, sofern er vermitteln
oder erziehen will, mit eigener Hand ad ab-
surdum. Das gibt aber ein umso größeres
Recht, auf ästhetische Einzelfragen und kunst-
psychologische Anschauungen, die weder be-
lehren, noch irgendwie popularisieren wollen,
des öfteren zurückzukommen. Und derlei soll
an dieser Stelle im nächsten Hefte versucht
werden. Inzwischen wird auch die störende
»Actualität« dieser geräuschvollen Darbietungen
zum Theile wenigstens verrauscht sein.
ANT. L.
|