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Die Christnacht ist funkelnd sternen-
hell und frostig kalt. Der Schnee liegt
weiß auf dem Kirchendach, auf der
schwarzen Haube des Thurmes, auf den
Grabsteinen und Kreuzen des Friedhofes.
Die spärlichen Bäume stehen in Reif ge-
hüllt, hier und dort schlafen in ihren
Kronen die Dohlen, zu großen schwarzen
Bällen zusammengerollt.
Ringsherum liegt die Gegend stumm
da, es leuchtet noch aus den Fenstern des
Pfarrhofes, aber im Armenhause auf der
drüberen Seite wurde das letzte Licht vor
einer Stunde ausgelöscht.
Die mageren Arme einander um die
Schultern geschlungen, stehen drei braune
Todtengerippe über die Kirchhofmauer
gebeugt und sehen hinaus über die Ebene.
Sie tragen alle um die Stirne gelbe,
etwas buckelige, aber im Mondlichte
glimmende Königsreifen.
Gleich unter der Friedhofsmauer geht
in großen Biegungen eine breite, etwas
ausgetretene Landstraße, die wie ein
brauner, geschlängelter Fluss sich durch
das weiße Schneefeld ringelt und zwischen
einer Gruppe von Bäumen verschwindet.
Unterhalb der Ebene breitet sich der
Roxen aus; er ist eisbedeckt. Man sieht
nur den nächstgelegenen Theil des Sees;
das Übrige verschmilzt mit dem Dunkel.
Weit weg rechts ist die Luft an einer
Stelle gleichsam lichter; es gleicht einem
flammenden Nordlichtstreifen, unter dem
Scheine schimmert es wie eine Menge
funkelnder Punkte, die bald stärker, bald
schwächer flammen. Das sind die Lichter
in Linköping.
— Seht, meine Kinder, nun fiel dort
ein Stern, sagte der älteste der Könige,
Inge Halstansson.
— Nun fiel dort ein Stern, wieder-
holte der zweite, dessen Name Ragvald
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Knaphöfde ist. Er ist größer als die an-
deren, und die rechte Seite seines Schädels
ist gespalten — nun fiel dort ein
Stern.
Der dritte König, dessen Name Magnus
Nilsson ist, nickt nur mit dem Kopfe;
sein ganzer Unterkiefer wurde ihm in der
Schlacht zu Fotvig weggehauen, und darum
kann er nicht sprechen.
Sie stehen eine Weile stumm und
starren hinaus über die Ebene.
— Es ist Weihnachten heute Nacht,
jetzt feiern die Lebenden Weihnachten,
sagt König Inge.
— Weihnachten heute Nacht, wieder-
holt König Ragvald und schüttelt seinen
zerfetzten Kopf, der gegen die Hals-
wirbel knackt.
Ein lautloser Schatten huscht auf dem
Wege vorbei. Es ist ein Fuchs, der sich
behutsam weiter schleicht. Da er das
schwache Knarren über der Kirchhofs-
mauer gehört, hat er sich glatt an den
Boden gedrückt. Jetzt erhebt er den Kopf
wieder, wittert misstrauisch hinauf in die
Richtung, von wo er den Laut vernommen,
merkt nichts, macht einen Satz hinüber
zum anderen Wegrande und verschwindet
im kurzen Galopp hinter der Kirchhofsecke.
Sie fangen an, in der Kälte zu klappern,
die drei Todtenmänner; wie auf ein ge-
gebenes Zeichen drücken sie sich enger
aneinander und wechseln die Füsse, auf
denen sie stehen, während sie mit dem
freien Fusse ihre frostigen Schienbeine
reiben.
— Jetzt singen sie Messen für uns
in der Domkirche, sagt König Inge und
zeigt mit seiner Hand auf den Schein von
Linköpings Gaslaternen. Die beiden an-
deren Könige nicken bejahend.
Mich dünkt, ich höre, was die Mönche
dort drinnen lesen: »Ingo, Svecorum
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