Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 11

Die Kaiserin Rossetti* Fünf Sonette (Khnopff, FernandLindner, AntonRossetti, Dante Gabriel)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 11

Text

ROSSETTT: FUENF SONETTE. SCHLAFLOSE TRÄUME.

Dunkel umgürtet, doch von Athem lind,
Einzig von einem Flimmerstern entfacht;
Sehnsüchtig wie des Jünglings Nächte sind,
Der in vorahnender Begierde wacht,

O schweigende und hoffnungslose Nacht!
Dein Flügel fächelt meine Augen blind
Und streift mein Kissen wie ein leiser Wind
Vom jenseitigen Gefilde deiner Macht.

O dunkel und von Todesahnen schwer
Bist du, wenn uns die Liebe ihre Hut
In deinen Schattengängen nicht gewährt.

Einsame Nacht! Für immer nun verheert
Von meiner ungestümen Thränenflut,
Und mir wie eine Wüste weit und leer!

HEIMLICHER ABSCHIED.

Da unsre Rede von der Wolkenart
Und Sternenfährte der Geschicke gieng,
Suchte ihr Blick ein fernes Ziel und ward
Umflorter, da ich ihn von ihr empfieng.

Doch, eingedenk, wie kurz und wie gering
Das Glück und mit ihm unsre ganze Fahrt,
Gab, dürstender wie ich es sonst gewahrt,
Sie mir die Lippen, als ich sie umfieng.

So, wie wir auch gerungen, unsern Bund
Von Schicksalswegen und =Beschluss abseits
Einzig zu festigen durch unsern Schwur —

Ein Sternenwille wies uns unsre Spur,
Und unsrer Liebe Denkmal sinkt bereits
Im Thal der Schatten modernd in den Grund

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 11, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-01_n0011.html)