Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 27

Die Kaiserin »Kurzgefasster Grundriss der Geheimlehre« von H. P. Blavatsky* Bücher (Khnopff, FernandGraevell, HaraldGraevell van Jostenoode, Harald)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 27

Text

BÜCHER.

sitzer Freilich, mit manchem Tapezierer-
»Gschnas« verglichen, wie es beispiels-
weise die wüste Schreckenskammer von
F. O. Schmidt ist, scheint dieses Olbrich-
Zimmer — als das einheitliche Werk eines
modernen Künstlergeistes — um Jahr-
hunderte voraus. In diesem Jagdverließ
mit den cachierten Wänden, dem mon-
strösen Kamin und den Folterstühlen ist
Olbrich-Imitation (die Laubkuppel) auf alle
möglichen anderen Imitationen aufgeklebt.

Diesen Arbeiten gegenüber gewinnen
die vornehm-schlichten Entwürfe von Joseph
Hoffmann doppelte Bedeutung. Auch
dieser, nach langen Kämpfen in der Wiener
Kunstgewerbeschule gelandete Künstler ist
Architekt und aus der Wagnerschule hervor-
gegangen. Es ist interessant zu sehen, wie
sich bei seinen Arbeiten die Schulformen
nach und nach in edlen Handwerksgeist
umsetzen. Auch den farbigen Effect weiß er
mit natürlichen Mitteln zu erzielen. — An
Farbensinn mangelt es, im Gegensatz zur

Makart-Epoche, unserem Kunstgewerbe
allzusehr. Vielleicht kommt dies daher,
dass sich dieser Praxis in überwiegender
Mehrzahl Architekten zuwenden, denen
Farben-Experimente (Wagner mit seinem
Empire-Weißgold und seinen Majolica-
Versuchen ist ausgenommen) völlig ferne
liegen. Maler heran! Sonst versanden wir
in einem Einerlei von grün- und grau-
gebeizten Hölzern. Siehe Niedermoser,
der sein Holz trefflich bewältigt, aber in
der Beize ertrinkt. Járay findet einen
wohligen Rosa-Ton, dessen Geruch aber
viele abschrecken dürfte. Müller mit seiner
großen »Hall«, die er in kleine Stückchen
zerreißt, Schönthaler mit seiner guten,
aber nicht ganz originellen Simplicität und
Bamberger mit seinem feingedachten,
aber in Form und Farbe allzu süßlichen
Salon — sie alle können mehr, als man
hier zu sehen bekommt. Andere aber, die
sehr viel können, fehlen ganz.

LUDWIG ABELS.

BÜCHER.

»Kurzgefasster Grundriss der
Geheimlehre
« von H. P. Blavatsky.
Leipzig, Wilhelm Friedrich. 1899. —
Die »Geheimlehre« der Madame Blavatsky
ist eines der großartigsten Werke unseres
Jahrhunderts. Es erscheint in einer deut-
schen Übersetzung lieferungsweise bei
Friedrich in Leipzig; complet ist erst der
erste Band. Nun hat der Theosoph Franz
Hartmann einen Auszug aus diesem
Werke publiciert, der jedem, der nicht
Lust hat, sich das theure Werk der Bla-
vatsky anzuschaffen, wenigstens eine Idee
von der Großartigkeit seines Inhaltes gibt. Er
behandelt die Kosmogonie, die Erschaffung
der Welt und der Menschen. Letztere,
also doch wohl das für uns Interessanteste,
kommt etwas zu kurz. Freilich war es
kaum möglich, die schwierigen Dinge kurz
zu behandeln, ohne unklar zu werden.
Man muss im Originale das Weitere nach-
lesen.

»Auf der oberflächlichen und trüge-
rischen Beobachtung des äußeren Scheines,
ohne irgendwelche Erkenntnis des wahren
Wesens der Dinge, beruht der größte
Theil der modernen wissenschaftlichen
und theologischen Anschauungen unseres
Zeitalters, und es wäre eine vergebliche
Mühe, wollte man versuchen, die Lehre
der Wahrheit mit den verkehrten Begriffen,
welche der Sinnestäuschung entspringen,
in Einklang zu bringen. Vergleichung,
Schlussfolgerung u. s. w. sind Functionen
der niederen intellectuellen Seelenthätig-
keiten; die Selbsterkenntnis der Wahrheit
entspringt der inneren Erleuchtung, welche
erst dann eintreten kann, wenn das zu
ihrer Offenbarung nöthige Geistesorgan
hinlänglich entwickelt ist.«

Diese Worte Hartmanns (S. 150) sind
sehr richtig. Es war der Fehler der katho-
lischen Theologie, dass sie es unternehmen
wollte, sich ohne Entwicklung höherer

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 1, S. 27, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-01_n0027.html)