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des Objectes correspondiert und ihm völlig
adäquat scheint. Das äußere (wenn auch
nur subjectiv existente) Farben- und Linien-
spiel des Objectes, das in den früheren Aus-
führungen* auf den scheinbaren
Spiel-
trieb der Farbe und Linie (emotionelle
Tendenz!) zurückgeführt wurde, zeugt ana-
loge Rhythmen im Innern des Beschauers,
die ihrerseits den latenten Vorrath an
Bewegungsgefühlen erhöhen und in-
direct zu einer Steigerung aller Lebens-
gefühle führen. Ein Gähren wird in uns,
ein Chaos der Triebkräfte, wie es der
Frühling den Schollen gibt oder die Be-
fruchtung dem Mutterleib, und wie es
wohl hinter allen Phänomenen der Welt
und des Lebens in ewig-schaffender, ewig-
kreisender Schönheit sich bethätigt. Wir
kommen ins Klingen sozusagen, ins Dürsten
und Schwellen, Keime setzen sich an und
drängen zu fruchtender Bewegung
Bewegung — das ist’s! Was zu innerer
Bewegung treibt, sie verdreifacht, sie ver-
geistigt, zeugt Wachsthum und Wärme
— zeugt Leben und Lebensmuth. Das
Rauschen und Quinquilieren, das — von
Pollenstäubchen entfacht — die Wurzeln
und Blätter füllt oder durch Sturzbäche,
Sommernächte, Windstürme, durch Sonnen-
untergänge, Brandungen und Blitze, durch
Mondlicht, Musik, Wein oder irgendeinen
schöpferischen Gedanken in unseren Sinnen
geweckt wird, klingt merklich an dieses
Rauschen und Quinquilieren an, das unter
dem Strahlenspiel der Linien und Farben
bacchantisch unsere Seele erregt oder zu
friedlichem Lauschen bändigt.
Daher mag es sich erklären, dass just
unerfahrene und primitive Leute bisweilen
vor einer Linie oder Farbe ergriffen
stehen bleiben und das vage Gefühl
haben, als läge in dieser Linie oder
Farbe der »Sinn des Lebens« ver-
borgen. Wie aber wäre dies denkbar,
wenn diese unerfahrenen und primitiven
Leute, die jenseits der Theoreme dämmern,
nicht auch Linien und Farben unter jenem
Gesichtswinkel betrachten würden, der sie
selbst im letzten Rosenblättchen, Glüh-
würmchen oder Glimmerstäubchen ganz
instinctiv etwas Beseeltes, Trunkenes,
also Musisches achten lässt? Und wie
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könnten wir da noch die räthselhaften
Wirkungen dieser absonderlichen Phäno-
mene associativ begreifen wollen und
etwa die Linienwirkung — nach Lotzes
Muster — aus sympathetischen Er-
innerungen an jene schmerzlichen oder
freudigen Gesten herzuleiten suchen, die
wir an anderen oder an uns selber be-
obachtet und in unseren Vorstellungs-
vorrath aufgenommen haben?
Überall, wo die Stimme des Alls
gebieterisch durchschlägt, ist auch die Macht
über unsere Seele gegeben — und Linien
und Farben sind Theile des Alls und füglich
nur als solche zu nehmen und zu deuten.
Sind die Zusammenhänge mit diesem
All-Einen gefunden, dann ist auch dem
psychischen Zauber, der von diesen
Phänomenen ausgeht, unschwer auf die
Spur zu kommen. Unsichtbar ist der Lauf,
unhörbar fast das Rauschen dieser dunklen
Ströme, die aus dem Gegenwärtigen in das
Vergangene oder Künftige leiten, die Welt
der irdischen Wunder und die Essenz
aller Erscheinungen und Dinge mit der
Seele des Menschen — ihm unbewusst —
vereinen und alles Lebende oder schein-
bar Todte, alles Athmende oder schein-
bar Unbeseelte geschwisterlich zu in-
einanderflutenden Harmonien binden. So
ist das All in mir, und ich selbst bin im
All, dafern ich fähig und würdig bin der
lautersten Hingebung an den allgegen-
wärtigen Geist, der die Atome bewegt,
wie er die Weltkugel bewegt, der das
Laternchen des Leuchtkäfers entzündet,
wie er die Sonne entzündet. Da ich dann
selbst die Natur werde, selbst die Natur
bin, jede Gegensätzlichkeit zwischen mir
und der Außenwelt verloren habe und
selber aus den Erscheinungen der Welt
und des Lebens hervordämmere, schwinge
ich in den Farben und Linien mit, die
überall im Räume sind, überall im All
geborgen sind und nicht etwa aus
dem Nichts durch Stift und Pinsel
geweckt werden. Ich klinge aus ihnen
hervor, wie sie aus mir hervorklingen,
weil ich im Grunde selber nur aus Farben
und Linien — wie aus Blutkörperchen,
Venen und Zellen — bestehe. Nichts
Spielerisches sind sie, das etwa dem
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