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es ihm schon am Gesicht an, dass er über
einen tiefen Bass verfügte. So war es
auch wirklich, seine Stimme klang wie
aus einem Fass Warinka war nicht
mehr jung, etwa dreißigjährig, auch groß,
schlank, rothwangig, mit schwarzen Augen-
brauen, mit einem Wort ein Prachtmädel —
behende, lustig, sang allerlei kleinrussische
Romanzen und lachte lustig und laut.
Bei jeder Gelegenheit erklang ihr volles,
kräftiges Ha-ha-ha!
Die erste nähere Bekanntschaft der
Geschwister Kowalenko machten wir bei
der Feier des Namenstages unseres Directors.
Inmitten des Kreises der finsteren, strengen
und langweiligen Pädagogen, die auch zu
Festlichkeiten nur pflichtgemäß gehen,
war plötzlich aus dem Wellenschaume
eine neue Aphrodite aufgestiegen. Sie
gieng, die Hände auf die Hüften stützend,
lachte, sang, tanzte. Sie sang mit Aus-
druck und Gefühl »Winde wehen «
und dann noch manches andere klein-
russische Lied — und wir waren alle
entzückt, sogar Belikoff. Er setzte sich
zu ihr und sagte mit süßem Lächeln:
»Die kleinrussische Sprache erinnert
durch ihre Weichheit und ihren Wohl-
klang an die altgriechische.«
Das schmeichelte ihr, und sie fieng
an, ihm mit Gefühl und Nachdruck zu
erzählen, dass sie in der Heimat ein
Landhaus mit Acker und Garten hätten,
und dass ihr Mütterchen dort lebte, und
was für prächtige Birnen, Melonen und
Kürbisse dort wüchsen — und Suppen
kochte man bei ihnen daheim aus Rüben
und mit allerlei Zuthaten, die »schrecklich«
wohlschmeckend wären.
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Wir hörten ihr alle zu, und plötzlich
bemächtigte sich unser aller ein Ge-
danke:
»Wie nett es wäre, wenn man die
beiden verheiraten könnte!« sagte leise die
Frau des Directors.
Mit einemmale erinnerten wir uns
alle, dass Belikoff unverheiratet sei, und
jetzt kam es uns sonderbar vor, dass wir
bisher diesen wichtigen Punkt in seinem
Leben ganz außeracht gelassen hatten.
Welche Stellung er den Frauen gegenüber
überhaupt einnimmt, wie er speciell für
sich in dieser Lebensfrage entscheiden
würde, dafür hatten wir uns bis dahin
gar nicht interessiert; vielleicht hatten wir
uns nicht einmal vorstellen können, dass
ein Mensch, der bei jedem Wetter in
Galloschen ausgeht und der hinter Bett-
vorhängen schläft, auch lieben könnte.
»Er ist weit über vierzig, sie ist
dreißig Jahre alt mir scheint, sie
würde ihn nehmen«, führte die Directorin
ihren Gedanken weiter aus.
Was thut man nicht bei uns in der
Provinz aus Langeweile, wieviel Unnöthiges,
wieviel Unsinniges! Das kommt aber nur
daher, weil wir das nicht thun, was noth-
wendig ist. So nur konnten wir plötzlich
das Bedürfnis empfinden, diesen Belikoff
zu verheiraten, einen Menschen, den man
sich nicht einmal als einen Verheirateten
vorstellen könnte. Die Frau Director, die
Frau Schulinspector, alle Damen unseres
Gymnasiums wurden plötzlich wie neu
belebt, sie verschönten sich beinahe. Es
war, als hätte ihr Leben plötzlich einen
neuen Zweck erhalten.
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