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auch sei, Warinka fieng an, unserem Belikoff
ihre Neigung kundzuthun.
Was Belikoff that? — Nun, er gieng zu
Kowalenko ebenso wie er zu uns allen kam.
Er kommt herein, setzt sich hin und schweigt.
Er schweigt, und Warinka singt ihm vor
»Winde wehen« oder sie sieht ihn gedanken-
voll an mit ihren dunklen Augen und manch-
mal lacht sie plötzlich hell auf.
In Liebesangelegenheiten, namentlich
aber in Heiratsfragen, spielt die Suggestion
eine große Rolle. Alle, die Collegen wie
sämmtliche Damen, versicherten Belikoff
fortwährend, dass er sich verheiraten müsse,
dass ihm nichts mehr, nichts dringender
obliege, als sich zu verheiraten. Wir
wünschten ihm alle Glück, mit feierlichem
Gesichtsausdruck sagte man ihm allerlei
Plattheiten, etwa, dass die Ehe ein sehr
wichtiger und ernster Schritt sei. Dazu
kam noch, dass Warinka nicht übel war,
eine interessante Erscheinung, Tochter
eines Staatsraths, auch hatte sie ein hübsches
Landhaus und, was die Hauptsache war,
sie war die erste Dame, die ihn freundlich
behandelte, ja sogar herzlich. Er ließ sich
richtig dadurch den Kopf verdrehen und
kam zu dem Schlusse, er müsse in der
That heiraten.«
»Nun hätte man ihm den Schirm und
die Galloschen abnehmen sollen«, meinte
Iwan Iwanowitsch.
»Ja, das war aber unmöglich! Stellen
Sie sich vor, er setzte das Bild Warinkas
auf seinen Tisch, und wenn er zu mir kam,
sprach er von ihr, von Familienglück und
davon, dass die Eheschließung ein sehr
ernster Schritt sei. Er gieng oft zu den
Geschwistern Kowalenko, aber seine Lebens-
weise änderte er nicht. Eher fand das
Gegentheil statt; der Entschluss, sich zu
verheiraten, bestärkte ihn noch in seinen
krankhaften Gewohnheiten. Er wurde noch
magerer, noch bleicher, und es schien, dass
er sich noch tiefer in sein Futteral
zurückzog.
»Warwara Ssawischna gefällt mir,« sagte
er, und dabei verzerrte ein schwaches
Lächeln sein Gesicht; »ich weiß wohl,
dass jeder Mensch heiraten muss; aber
wissen Sie, das ist alles so plötzlich ge-
kommen, ich muss mir’s doch zuvor ordent-
lich überlegen.«
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»Was gibt’s denn da viel zu überlegen?«
sagte ich zu ihm, »heiraten Sie, und damit
ist alles erledigt!«
»Nein, das Heiraten ist ein wichtiger
Schritt; da müssen die Einem bevorstehenden
Pflichten und die Verantwortung, die man
übernimmt, wohl erwogen werden, damit
Einem später nichts passiert. Das alles
beunruhigt mich derart, dass ich jetzt die
Nächte nicht schlafe. Die Wahrheit zu
sagen, ich fürchte mich! Sie und ihr
Bruder haben eine so sonderbare Lebens-
auffassung, so merkwürdige Anschauungen,
äußerst lebhafte, energische Charaktere.
Schließlich verheiratet man sich, und wer
weiß, in welche Geschichten man dann
verwickelt wird!«
Er machte ihr also keinen Heirats-
antrag, sondern verschob die Sache immer
wieder, zum großen Verdrusse der Frau
Director und aller übrigen Damen. Fort-
während erwog er die ihm bevorstehenden
Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten,
und dabei machte er fast täglich mit
Warinka große Spaziergänge. Er dachte
wohl, das gehöre sich so in seiner Lage,
und dann kam er zu mir, um mit mir
über das Familienleben zu philosophieren.
Vermuthlich würde er ihr am Ende doch
noch einen Heiratsantrag gemacht haben,
und es wäre noch eine solche unnöthige
und sinnlose Ehe zustande gekommen, wie
sie bei uns aus Müßiggang und Langweile
zu tausenden geschlossen werden, wenn
sich nicht plötzlich ein ganz »kolossaler
Scandal« ereignet hätte. Ich muss hierbei
bemerken, dass Kowalenko, Warinkas
Bruder, vom ersten Tage ihrer Bekannt-
schaft an Belikoff nicht ausstehen konnte,
ihn verabscheute. Er gab Belikoff sogar einen
kleinrussischen Spottnamen, machte ihn zu
einer Art Kinderschrecken. Nun war es
begreiflich, dass wir alle es vermieden,
mit ihm darüber zu sprechen, dass seine
Schwester im Begriff wäre, Belikoff zu
heiraten. Einmal machte ihm die Frau
des Directors eine Andeutung, dass es
doch gut wäre, wenn seine Schwester
versorgt würde, einen so soliden, allgemein
geachteten Mann bekäme, wie Belikoff.
Da verfinsterte sich sein Gesicht, und er
brummte:
»Das ist ihre Sache, geht mich gar
nichts an. Sie mag, wenn sie Lust hat,
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