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Es ist nun nicht uninteressant, zu
betrachten, in wie verschiedentliche
Äußerungsformen diese artistische Öko-
nomie, die vor allem ein Erfordernis der
lithographischen Technik ist, einzelne
der namhaftesten Künstler-Individualitäten
geleitet hat. Man kann diese Äußerungs-
formen jetzt in den japanischen Sälen der
Secession und an der bandförmigen Affiche
studieren, durch die uns diese Ausstellung
angekündigt wird, wie ja im allgemeinen
das Beste, was wir von Japan lernen
können, das steifnackige Bestreben und
das Vermögen ist, innerhalb eines möglichst
beschränkten Raums, mit möglichst be-
schränkten Mitteln, bei unaufhörlicher
Selbstzucht und denkbarster Condensation,
auch das Widerspenstigste und Beharr-
lichste von aller Schwere zu befreien und
also das Leiden aller Dinge, aller Thiere,
aller Menschen durch die beflügelnde
Weihe der Künstlerhand fast mühelos in
lauterste Anmuth zu wandeln
Man kann diese artistische Ökonomie
des lithographischen Feinkünstlers wohl
überhaupt an den besten Panneaux
und Affichen verfolgen, die uns Meister
wie Steinlen, Toulouse-Lautrec,
Chéret, Forain, Réalier-Dumas,
Grasset, auch Rops, Rivière und andere
— ein jeder in seiner Weise — gegeben
haben. Die Umschläge Th. Th. Heines, der
auf Beardsley zurückgeht, wären gleich-
falls heranzuziehen. Insonderheit aber wird
man sich Eugène Carrières erinnern, der
uns unlängst erst* in seinen Porträt-
Lithographien (Verlaine, Rodin, Daudet)
die gefällige Art verrathen hat, breit an-
gedeutete schwarze Formen hinter Flören
zu bergen, die scheinbar in Bewegung
waren und durch ihr gleitendes, weiches
Weiß dem spärlichen, harten Schwarz,
das unter ihnen hervordämmerte, die ver-
seelendsten Reflexe gaben. Oder man ge-
denke des geistvollen Lunois, der in seinen
Lithographien gezeigt hat, wie man das
Lauschen eines kleinen Theater-Publicums,
die mediumistischen Schauer einer Spiri-
tisten-Sitzung oder den aufpeitschenden
Duft eines Fandango durch das Auf-
einander und Nebeneinander der ver-
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wirrendsten Licht- und Schatten-Nuancen
entmaterialisiert und nur das Essentiellste
dieser Wirkungen, das in unseren Nerven
fortschwingt, auf den gefühllosen und
doch so empfindlichen Stein überträgt.
Oder man greife zu Jeanniot, Willette,
Ibels, die — wie die Genannten: Steinlen,
Lautrec, Forain etc. — das Figürliche
stark bevorzugen und dennoch über das
specifisch Bildhafte leicht hinwegturnen.
Nicht so capriciös und flackernd wie
die Blätter der Genannten, ohne den faul-
glänzenden Stich ins Variétéhafte, aber in
technischem Betracht durch eine stupende
Beherrschung aller gegenwärtigen und
künftigen Ausdrucksmittel nicht minder ver-
blüffend, im übrigen auch viel innerlicher,
heimatlicher, schlichter, also »deutsch« mit
einem Wort (wenn uns dies oft miss-
brauchte Adjectiv heute noch etwas zu
sagen weiß): so sind die zahlreichen
Lithographien des Künstlerbunds
Karlsruhe, die jetzt inmitten der
Ausstellung des Aquarellisten-
clubs, in übersichtlichster und geschmack-
vollster Gruppierung, einige Wände des
Künstlerhauses und einen Mappen-
tisch bedecken. In künstlerischen, durchaus
reinen und vollendeten Drucken, die der
K. K. K. (Kunstdruckerei Künstlerbund
Karlsruhe) ** entstammen — man vergesse
nicht, dass an dem Gelingen lithographischer
Kunstblätter die ästhetische Einsicht und
Erfahrung der ausführenden Officin ihren
großen Theil hat — bringen sie uns
eine Fülle des Anregenden, Persönlichen,
Charakteristischen, die uns neuerlich fühlbar
macht, wie erbärmlich und elend die
heimischen Lithographien an den Litfass-
säulen unserer Stadt sind. Hervorgehoben
aus den Reihen dieser vereinigten Künstler
sei hier namentlich Gustav Kampmann
(Grötzingen bei Karlsruhe), der in seinen
»Waldbildern« und zahllosen anderen
Blättern mit einer grandiosen Einfachheit,
die das Resultat einer jahrelangen Selbst-
zucht sein muss, und mit andächtigen
und scheuen Linien das Schweigen der
Natur malt, das in tausendfältigen Rhythmen
aus Thälern und Hängen wie ein sicht-
barer Niederschlag dem Lauschenden in
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