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verstoßen würde, weil ja das Gefühl, das
aus seinem Liede aufquillt, aus seinem
eigenen reinen Volksgemüthe gesprossen sei.
»En gij, mijn volk, ge zult mij niet verstooten,
want het gevoel, op wellende in mijn lied,
is uit uw eigen rein gemoed gesproten.«
Und in der That, das vlämische Volk
wird seinen Sänger nicht vergessen. Denn
der Sänger lässt, wie der Schwan, der
langsam durch den Teich zieht, lichte
Spuren hinter sich, die so bald nicht ver-
schwinden. Seinen Schwanengesang will
ich aber als Probe vlämischer Poesie
hierher setzen.
De Zwaan.
Rustig en fier den kop omhoog geheven,
zoo glijdt de zwaan den ruimen vijver door;
hij laat, wijd achter zieh, een zilvren voor,
nog lang nadat hij is voorbijgedreven.
Zoo ook de Dichter, bij’t naar hooger streven:
kalm worstelt hij op’t ingeslagen spoor
steeds verder; gaat wel menig hoop teloor,
toch zingt hij voort; zijn zingen is zijn leven.
Wat hoeft de blanke vogel het te weten,
of iemand vol bewondring naar hem ziet?
Versehrikken zouden hem de bijvalskreten.
Zingt ook de Zanger voor zichzelven niet?
Zoo velen al te licht zijn naam vergeten,
toch blijft hij leven in’t onsterflijk lied.
J. de Tallenay: Le réveil de
l’âme. (Visions à l’Abbaye de Villers).
Paris. Paul Ollendorf.
Dieser merkwürdige Roman der geist-
vollen Madame de Tallenay gehört zu
denen, die hoch über dem Durchschnitt
stehen. Die Verfasserin versucht darin
die neue und doch so alte Lehre von der
Reincarnation zu illustrieren. Der
Held erinnert sich nämlich nach und nach,
dass er früher in dem Kloster Villers in
Belgien gelebt hat, und sein ganzes
früheres Leben wird ihm klar. Die Ver-
fasserin zeigt, dass sie mit den Lehren
des Occultismus und der Theosophie (fran-
zösischer Schule namentlich) durchaus
vertraut ist, wie man ihre große Be-
lesenheit auch schon in den Citaten am
Anfange jedes Capitels bewundern kann.
Sie beweist, dass eine Frau, wenn sie
literarisch zu producieren beginnt, noch
etwas weiter kommen kann, als die
deutschen Schriftstellerinnen, die selten
über ihre Liebesgeschichten hinaus-
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gelangen. Dabei entwickelt sie eine
Menschenkenntnis und eine Kraft der
Darstellung, die alle Hochachtung ver-
dient. Selten ist wohl jemals die hin-
gebende weibliche Liebe großartiger dar-
gestellt worden, als hier in der auf-
opfernden Thätigkeit der Italienerin, der
Geliebten des Helden. Mag man von
der Metempsychose halten, was man
will, jedenfalls bleibt eine Poesie in
dem Roman, die ihn zu einer sehr be-
deutenden künstlerischen Leistung stempeln
muss. Auch die Localfarbe ist treff-
lich wiedergegeben. Das alte Kloster
lebt vor unseren Augen wieder auf. Ein
Appendix gibt noch außerdem alle histo-
rischen und kunstgeschichtlichen Daten
über die Abtei, sowie ein Verzeichnis aller
über sie erschienenen Schriften an. Wie
der Name Hauffs mit dem Lichten-
stein, Scheffels mit dem des Hohentwiel
ewig verbunden bleibt, so wird man bei
dem Besuch der großartigen Ruinen von
Villers dankbar der Frau von Tallenay
gedenken, die zu ihrer Restaurierung den
Anstoß gegeben und durch diesen Seelen-
roman ihren Namen unsterblich ge-
macht hat.
Godefroid Kurth: Les Origines
de la Civilisation moderne. Zwei
Bände. 3. Auflage. Paris, Retoux.
Der Verfasser hat seinem Werke die
Worte aus dem Prolog der Lex Salica
vorgesetzt: Vivat qui Francos diligit
Christus! Dieses Motto kennzeichnet die
Tendenz. Es ist durchaus in ultramon-
tanem Geiste geschrieben und bietet daher
eine sehr interessante Ergänzung zu den
in Deutschland geschriebenen Werken
über die Zeit der Völkerwanderung. Wie
sehr die Action der Kirche bei ihm im
Vordergrunde steht, geht aus den folgen-
den Capitel-Überschriften hervor: L’église,
Progrès de l’église, Naissance des sociétés
catholiques, L’Action de l’église. Die »Bar-
baren« treten dabei nicht nur in den Hinter-
grund, sondern sie spielen wesentlich nur
die Rolle des Hundes, den man an die
Kette legt. Bei Menschen, die sich in
allen Lastern herumwälzen, vom Betrieb
der Blutschande bis zur Menschenfresserei,
ist das ja auch ganz in der Ordnung.
Wir möchten das Buch besonders unseren
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