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heutigen »All- und Rein-Deutschen«
empfehlen, um ihrer Begeisterung für
das Ur-Germanische, die manchmal be-
sorgniserregende Dimensionen annimmt,
einen kleinen Dämpfer aufzusetzen. Die
Wahrheit über die moralische Höhe
unserer Vorfahren liegt wohl in der
Mitte zwischen den beiden Extremen, dem
der Ultramontanen, die alle Cultur am
liebsten von Rom herleiten, und dem
unserer modernen Deutschthümler, die alles
bis auf Kunst und Buchstaben für alt-
arisches Eigenthum erklären. Ein Aus-
gleich dürfte wohl möglich sein, wenn
beide Parteien anfangen, ihre Gegner
ohne Vorurtheil zu lesen. Deshalb wünschte
ich auch eine gute Übersetzung des vor-
liegenden Werkes ins Deutsche. Es ist
mit französischer Gewandtheit geschrieben.
Für uns Deutsche hat die Phrase manch-
mal etwas zu viel Raum. Wir wünschten
mehr positive Belege und Beispiele statt
schönen Redensarten. Aber im ganzen
ist es eine sehr angenehme Leetüre, eine
Weltgeschichte im großen Stile. Der Ver-
fasser hat die gründlichsten Vorstudien ge-
macht und versäumt nicht, am Schlüsse
ein Verzeichnis sämmtlicher Quellen zu
geben.
Edmund Hardy: Indische Reli-
gionsgeschichte. Leipzig, Göschen.
Das kleine Werkchen gehört der verdienst-
vollen »Sammlung Göschen« an und ist
mit Sachkenntnis geschrieben. Wer eine
Übersicht über jenes uns so fernliegende,
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aber geistig uns stets näher kommende
Gebiet haben will, dem sei es empfohlen.
Tieferen Aufschluas wird man allerdings
nicht finden. Der Verfasser unterlässt,
Gründe für die uns oft so seltsam berüh-
renden Cultformen anzugeben, und doch
wäre das weit interessanter als die einfache
Constatierung. »Für die Formen des reli-
giösen Glaubens und Brauches gibt es nur
eine Erklärung: das Herkommen. Wie
der Vater, so der Sohn.« Aber wie kommt
denn der Vater z. B. dazu, einem Bau
dadurch Festigkeit zu verleihen, dass er
Menschenblut dem Thon beimischt und einen
Theil einer Menschenleiche ins Fundament
legt? Die alten Indier waren doch keine
Narren, die blindlings etwas ohne ver-
nünftigen Grund thaten. Hier kann nur
das Studium der oeculten Wissenschaften
helfen. Dass z. B. die Indier, wie andere
Völker, von der Beerdigung zum Ver-
brennen übergiengen, hatte seinen Grund
in der Erkenntnis, dass der Verwesungs-
process des ätherischen Doppelgängers be-
schleunigt und die furchtbare Geißel des
Vampyrismus dadurch unmöglich gemacht
wird. Wir sind heute noch nicht wieder
so weit. Wir werden aber allmählich ein-
sehen, dass unsere Ahnen keineswegs so
thöricht waren, wie man meist annimmt,
weil man sie nicht versteht. Sie verstanden
noch die Natur und verehrten deshalb
Kräfte in symbolischer Form, von deren
Existenz wir — die wir uns stets nur an
die Namen halten — keine Ahnung mehr
haben.
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