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Throne der Liebe in dem Sumpfe der
gemeinen Denkweise versinken würde,
in welchem heutzutage ein großer Theil
der nach Brot-Erwerb rennenden und um
Ehrgeiz kämpfenden »Wissenschaft« steckt.
Die Welt lechzt nach Liebe als nach
ihrem Erlöser und kann ihn nicht finden,
weil sie ihn zurückstößt, denn die Liebe
würde dem Egoismus den Tod bringen,
und der Egoismus ist die Triebfeder aller
thierischen Thätigkeit. Nach unserer An-
schauung kann die Erlösung auf keine
andere Weise kommen, als durch die
Repräsentantin der Liebe, die Frau.
Nun sehen wir, wie überall in der
Frauenwelt ein Drang nach persönlicher
Freiheit und Gleichberechtigung mit den
Männern erwacht ist, und wie die Frau
sich bemüht, an den Beschäftigungen der
Männer theilzunehmen. Eine Gleichstellung
von Männern und Frauen kann für die
Männerwelt nur wünschenswert sein, weil
dadurch in alle Zweige des gesellschaft-
lichen Lebens ein weibliches Element
käme, welches auf das Ganze nur ver-
edelnd einwirken könnte; vorausgesetzt,
dass die Frau bei diesem Heruntersteigen
nicht selbst ihren Charakter verliert.
Je mehr sich der Geist mit der Viel-
heit der Dinge beschäftigt, je mehr er
sich ganz den Kleinlichkeiten einzelner
Erscheinungsphasen hingibt, zergliedert
und zerstört, umsomehr läuft er Gefahr,
jenes religiöse Gefühl der Einheit des
Ganzen zu verlieren, aus welchem die
wahre Erkenntnis entspringt. Nicht die
wahre Wissenschft ist der Feind der
Religion, im Gegentheil, es wird die
Herzens-Erkenntnis der Größe und Herr-
lichkeit Gottes im Weltall gerade dadurch
gefördert, dass man das Wirken seines
schaffenden Geistes in der Natur sogar
im Kleinsten erkennt. Aber was weiß
der Rationalismus vom Geist? Er
bezweifelt und verwirft alles, was er
nicht mit seinen groben Händen greifen
kann.
Unsere jetzigen Zeitverhältnisse bringen
es als eine absolute Nothwendigkeit mit
sich, dass die Liebe heruntersteigen muss,
um den Verstand aus seinem Gefängnisse
zu erlösen; aber für die Frau, die hiezu
in den Schmutz der Vielwisserei herunter-
steigt, ist die Aufgabe schwer, weil sie,
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wenn sie nicht selbst sich dabei verlieren
will, den Wissenswust und Gelehrtenkram
auf sich nehmen und dennoch ihren
geistigen Halt am Erhabenen und Gött-
lichen nicht aufgeben soll.
Wir leben in einer verkehrten Welt
und sehen überall das Oberste zu unterst
gekehrt. Jeder von uns hat einen Lucifer
in sich, der sich Gott gleichstellen will.
Der menschliche Verstand hat seinen
Thron aufgeschlagen und sich über die
Wahrheits-Erkenntnis erhoben. Sein Ge-
schäft sollte sein, die Wahrheit, welche
im Herzen intuitiv empfunden wird, zu
betrachten und zu prüfen; aber statt
dessen verleugnet er die Intuition und
stellt sich selber als Kenner und Richter
auf; die Wissenschaft weiß nichts von
der Seele, noch von deren Erkenntnis,
und dennoch wird das Wahre nur mit
der Seele begriffen und erkannt, und
wenn unser Gehirn vermodert sein wird,
so wird nur dasjenige für uns Wert
haben, was unsere Seele in sich aufge-
nommen hat und was sie erkennt. Das
Reich der Gehirnspeculation ist das Reich
des Mondscheins, das Herz die Wohnung
der Liebe und der Tempel Gottes, der
die Sonne der Weisheit beherbergt.
Kein vernünftiger Mensch wird be-
zweifeln, dass eine ausschließliche Kopf-
arbeit der Entwicklung edlerer Seelen-
kräfte nachtheilig sei, und der Grund davon
liegt darin, dass eine Kraft nicht an einem
Orte verschwendet und dabei auch noch
an einem anderen Orte benützt werden
kann, wie man ja auch eine bestimmte
Summe Geldes, die man für ein unnützes
Ding ausgibt, nicht auch noch für etwas
anderes noch einmal ausgeben kann.
Geistiger Glaube und Zweifelsucht sind
sich entgegengesetzt; großer Scharfsinn,
Spitzfindigkeit und Gewandtheit im Ana-
lysieren, Zergliedern und Kritisieren sind
selten mit Herzensgüte, Edelsinn, Wahr-
heitsliebe und tiefer Einsicht verbunden;
es gibt viel mehr Nachbeter als Erfinder,
viel mehr Buchwürmer als Genies.
Bisher war es in der Natur so ein-
gerichtet, dass die weibliche Erziehung
mehr auf die Entwicklung der Herzens-
eigenschaften, die männliche mehr auf
die Vervollkommnung der Denkmaschine
gerichtet war, und Gott hatte dafür gesorgt,
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