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öffentlichte Sammlung bietet uns Bruch-
stücke, deren Stil-Schönheit der Erhaben-
heit der darin ausgesprochenen Gedanken
beständig ebenbürtig bleibt. Es ist bald
Hermes, bald der anonyme Verfasser des
Werkes, der da spricht: »Bald darauf stiegen,
furchtbar und erschreckend, Finsternisse in
Schlangengestalt nieder; mir war, als sähe ich
dieses vielfache Dunkel sich wandeln in ein
feuchtes und trübes Naturgebilde, das feurigen
Dampf aushauchte und eine Art hohlen Ge-
räusches. Dann rang ein unarticulierter Schrei
sich los, der mir die Stimme des Lichtes schien.
Ein heiliges Wort stieg aus dem Lichte herab
auf das Gebilde, und ein reines Feuer hob
sich aus dem feuchten Gebilde zu den Höhen
empor; dieses Feuer war fein, durchdringend
und lebendig zugleich. Erde und Wasser blieben
vermischt, ohne dass man die eine in dem
anderen gewahren konnte, und empfiengen
vielen Antrieb durch das Wort, das man einem
höheren Fluidum sich entringen hörte
Gottes Wort oder Gottes Geist erhob sich
aus den niederen Elementen in die reine
Schöpfung der Natur und vermählte sich dem
schöpferischen Gedanken, denn beide sind des
nämlichen Wesens Gott lächelte und gebot
der Natur zu leben. Und seiner Stimme
entsprang das Weibliche in vollkommenster
Schönheit; staunend betrachteten die Götter
dieses Wunder.«
In einer anderen Abhandlung (den
hermetischen Büchern nahe verwandt),
dem »Buch von den Geheimnissen
der Schöpfung« (das Silvestre de Sacy
ausführlich analysiert hat und dem Apol-
lonius von Tyana zuschreibt), heißt es:
»Das Erste, was Gott schuf, war das Wort:
Dies werde so und so — und dieses
göttliche Wort ward zum Ursprung aller nach-
folgenden Schöpfungen «
Gehen wir nun zu Persien über, so
finden wir dort Ahura-Mazda (Ormuzd),
der zu seinem Propheten Zarathustra spricht:
»Ich habe den Spruch gesprochen, der das
Wort und seine Wirkung enthält, um zu voll-
bringen die Erschaffung des Himmels — vor
der Erschaffung des Wassers, der Erde, des
Baumes, der vierfüßigen Kuh und vor der
Geburt des wahrhaften, zweibeinigen Menschen.«
Indien endlich, mit seiner stets groß-
artigen, heiligen Literatur, liefert unserem
Gegenstande reichliche Beweise: da ist die
Veda, die dem Heiligen Worte
(Vâk)
eine nicht nur übernatürliche, sondern sogar
dem Himmel überlegene Macht beilegt:
»Gleich dem Winde«, sagt Hymnus IV, 415,
»athme ich in allen Welten. Meine Größe
erhebt sich über diese Erde und über den
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Himmel selbst.« Da ist (Dirgatamas, I, 344)
der Hymnus an Agni: »Da aber hat der
Anbetungswürdige seine Form gewandelt: vom
Winde bewegt, hat er seine Gestalt gebeugt,
und tönend erzeugt er wirbelnde Bewegung.«
Da spricht der Glückliche zu Arjuna:
»Ich bin der Ton in der Luft Für die
Sprechenden bin ich das Wort Ich bin der
große Hymnus unter den Gesängen des Sâma;
und unter den Rhythmen — der Gâjatri «*
In der (dem Sâma-Veda entnommenen)
Kena-Upanishad heißt es: »Der über alle
Worte erhaben ist (den kein Wort auszudrücken
vermag) und durch dessen Macht das Wort
gesprochen ward — o wisse, dass dieser Brahma
ist, nicht aber sind es die vergänglichen Dinge,
die du anbetest!« So sagt auch Aitarêya
(Rig-Veda): »Aus den Gewässern zog er so
und bildete ein mit einem Körper bekleidetes
Wesen. Er sah es an, und diesem also be-
trachteten Wesen öffnete sich der Mund gleich
einem Ei; aus dem Munde gieng das Wort
hervor; aus dem Wort entstand das Feuer
Die Ohren erweiterten sich; aus den Ohren
kam das Gehör; aus dem Gehör die Kegionen
des Raums.« Und die Upanishad des Großen
Aranyaka sagt, da sie von Mrityu spricht:
» Er schuf Bhân, und dieses ward die
Stimme Und durch diese Stimme, durch
dieses âtmâ, schuf er alles, was ist, was immer
es sei: die Rics, die Yadjurs, die Sâmans,
die Opfer, die Nachkommenschaft, die
Thiere.« Der Vedânta jedoch verdanken wir
die genaueste Aufklärung über den Ur-
sprung des Tones. Hören wir, wie sie die
Schöpfung erklärt: »Die der schöpferischen
und der zerstörenden Kraft in der Materie ent-
gegengesetzte Kraft erzeugte zuerst die Be-
wegung. Die Bewegung war dreifach geartet;
die plastische Bewegung oder Kraft, die
trennende Bewegung oder Kraft, die Bewegung
oder Kraft der Trägheit. Da schuf der Zu-
sammenstoß der widerstrebenden Impulsionen
das Akasa, das unsichtbare Element, das die
Fähigkeit besitzt, den Ton fortzupflanzen; und
das Akasa erzeugte die Luft (das greifbare
Element), das Feuer (das sichtbare Element),
das Wasser (das flüssige Element), die Erde
(das feste Element).«
So finden wir denn die mystische
Tradition der verschiedensten Rassen ver-
einigt, um einstimmig das Wort, die
Stimme, den Ton als Urquell des
geoffenbarten Universums zu ver-
künden. Insbesondere Indiens Philosophen
sehen im Akasa das Protoplasma der Formen,
und zwar sind unter »Formen« ebensowohl
die der göttlichen Welt des Geistes, wie
die minder fein gearteten des Verstandes
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