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bittere Erkenntnis des Dichters, dass seine
Werke nicht nur nichts gewirkt, keine
»Adelsmenschen« geschaffen haben, son-
dern dass sie theils nicht verstanden, theils
missverstanden sind. Diese Erkenntnis
muss einen ewigen Zweifler und Grübler
aber zu der Selbstprüfung führen, ob denn
seine Werke auch ganz so geworden sind,
wie er gemeint hat, ob sie wirklich so voll-
endet und so geeignet sind, Adelsmenschen
zu erziehen und auf die Menge erhebend zu
wirken. Und er kommt, wie wir vom Bild-
hauer Rubek erfahren, zu einem negativen
Resultat. Der Künstler ist sich selbst un-
treu geworden, seine anfängliche schlichte,
aber erhabene Idee hat er in den Hinter-
grund gedrängt durch all Das, was er
meinte »noch hinzudichten zu müssen«,
um seine spätere Idee und Lebensauffassung
darzustellen. Aus der Verherrlichung der
Auferstehung in Gestalt eines reinen, in un-
schuldsvoller Freude erstrahlenden Weibes
wurde ein ganzes satirisches Gesellschafts-
bild voll Sehnsucht nach einer stilleren,
gedämpfteren Glücks-Auferstehung. Und
sich selbst stellte er als qualvoll Bereuenden
dar, weil er sein hehres Werk so ver-
stümmelt und verpfuscht hat. Er sagt
davon: »Ich liebte mein eigenes Werk
nicht mehr. Und vor den Kränzen und
dem Weihrauch der Menschen wäre ich
am liebsten, angewidert und verzweifelt, in
die finstersten Wälder geflohen.« Er ver-
liert daher die Schaffenslust am Großen und
macht nur noch Porträts mit »heimlichen
Thiergesichtern«, Lebens- und Menschen-
Satiren. Und bei diesem Schaffen überkommt
ihn der Ekel über seinen Beruf und sein
Wirken: »Dieser ganze Künstlerberuf und
diese ganze künstlerische Thätigkeit und
alles, was damit zusammenhängt, fieng an,
mir so von Grund aus leer und hohl und
nichtig vorzukommen«.
Ibsen-Rubek kommt also am Lebens-
abend, nachdem er eine lange Reihe von
Meisterwerken geschaffen und »Ruhm und
alle anderen Herrlichkeiten« errungen hat,
zu der traurigen Schluss-Erkenntnis, dass
all sein Schaffen und Streben vergebens,
ein Irrthum gewesen sei.
Aus solch einer trostlosen Erkenntnis,
besonders bei einem Künstler-, diesem
höchsten und schönsten Lebensberuf, kann
sich naturgemäß nur eine Consequenz er-
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geben: Er muss, weil er die Beglückung
des Schaffens negiert, den Lebens-
genuss als das Höchste, als den einzigen
Ausweg preisen. Und das ist thatsächlich
das Resultat, zu dem der Bildhauer Rubek
schließlich gelangt: »Ist es nicht unver-
gleichlich wertvoller, ein Leben in Sonnen-
schein und Schönheit zu führen?« Und
als ihm klar wird, dass sich ihm einst
in der Jugend ein großes Lebensglück bot,
sagt er bereuend: »Verblendet, wie ich
damals war, stellt’ ich das Gebilde aus
leblosem Thon über das Glück des Lebens,
das Glück der Liebe!«
Es scheint hier also, als wenn Ibsen,
der in all seinen letzten Dramen und
auch früher schon die werkthätige Arbeit,
das freudige Schaffen als das höchste
Menschenglück bezeichnet und den Glück
und Leben zerstörenden Einfluss des
Sinnengenusses und der Sinnlichkeit oft in
düstersten Bildern gemalt hatte, plötzlich
seine ganze Lebensweisheit umstürzte und
zum Verkünder, ja zum Verherrlicher des
Glücks- und Genusstrebens würde, denn
Rubek, der sein Lebenlang nur Künstler
war, geht beseligt mit seiner wieder-
gefundenen Jugendgefährtin dem ihnen
sicher drohenden Tode entgegen, weil er
»eine Sommernacht auf den Bergen ver-
leben, ein einzigstesmal das Leben bis auf
die Neige auskosten« will. Ebenso findet
Maja, Rubeks Gattin, deren ideale Mädchen-
hoffnungen an seiner Seite enttäuscht
wurden, »ihre Befreiung« im Genuss-
leben, als ihr Mann sich selbst von ihr
lossagt, da sie ihm als Künstler nichts sein
könne, indem sie dem Jagd- und Freiluft-
menschen Gutsbesitzer Ulfheim auf sein
»Schloss mit Jagdgründen, aber ohne alle
Kunstwerke« mit dem Jubelgesang folgt:
»Ich bin frei! Ich bin frei! Ich bin frei!«
Auch dieser Ulfheim ist nach kurzer
Lebens- und Liebes- Enttäuschung ein
brutaler Genussmensch geworden, ein
Jäger auf allerhand Wild, auch auf
»Weibsleute«, aber »frisch muss es sein,
saftig und vollblütig!«
Scheinbar geht aus all diesem hervor,
dass sich Ibsen zur Lehre des Lebens-
genusses bekehrt hätte; aber dennoch
meine ich, dass er hier nur eine schneidende,
satirische Consequenz zieht, dass er sagen
will, in einer Welt, in der die Ulfheims
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