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zu soviel modernem und modernstem Femini-
nismus, einen frischen Zug von Männlichkeit
in das Werk. Hin und wieder, was nun frei-
lich bei Meister Jacobsen nie der Fall, outriert
Michaelis allerdings diesen Zug vorderhand
noch, u. zw. in einer Weise, dass dogmatisierende
Absichtlichkeit sich allzu deutlich aufdrängt.
Die Pracht der Farben, die Intimität der
Stimmung — die übrigens, wie eigentlich bei
kaum einem anderen Dänen sonst, sich sehr
oft zu kräftigem und impulsivem lyrischen
Al Fresco-Schwung erhebt — und des Milieus
sind ganz dänische Eigenschaften und zeigen
Michaelis deutlich als Schüler Jacobsens, wenn-
schon er eine sehr eigene und persönliche
Nuance bethätigt. — Das Werk, obgleich an
reiferem und vertieftem Lebensgehalt noch
lange nicht an die »Marie Grubbe« heran-
reichend, zeigt reiche Schönheiten. Nicht sein
geringster Vorzug ist wohl seine frische Jugend-
lichkeit. — Michaelis wird sicher einst, zur
Reife gelangt, zu den Meistern seines Volkes
gehören. — Marie Herzfeld erweist sich wie
immer als vortreffliche Übersetzerin. Wenn
sie sich nur ihre Manier der übertriebenen An-
wendung des angelsächsischen Genitivs ab-
gewöhnen möchte!
HUNGER UND LIEBE von IRMA v.
TROLL-BOROSTYÁNI. Leipzig. Verlag Wil-
helm Friedrich.
Ein neues Buch von Irma v. Troll-
Borostyáni, einer der hervorragendsten Vor-
kämpferinnen für die Rechte der modernen
Frau. — Es sind dreizehn größere und kleinere
Novellen, deren Verdienste weniger nach der
künstlerischen Seite hin liegen, als in dem
Ernst und der schönen Antheilnahme, mit dem
gewisse sociale Übelstände bloßgelegt, mit
welcher die Leidenden bedacht werden. Die
meisten der Novellen tragen den Charakter der
Sittenschilderung, und, obschon mit einem durch-
aus hergebrachten Erzählerton, weiß die Ver-
fasserin dennoch unsere Sympathien für ihre
Stoffe zu gewinnen und aufrechtzuerhalten. Mit
solchen Eigenschaften wird das Buch zwar
weniger die Theilnahme der specifisch literarisch
interessierten Kreise in Anspruch nehmen
können, aber man könnte es vielleicht, was
gewiss kein Fehler ist, als ein Volksbuch be-
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zeichnen, dessen Wirkungen sicher nur segens-
reiche sein können. In diesem Sinne sei es
bestens empfohlen.
BERLIN. JOHANNES SCHLAF.
PARSIFAL-MÄRCHEN von HOUSTON
STEWART CHAMBERLAIN. Verlagsanstalt
F. Bruckmann, München.
Wer Chamberlains »Grundlagen des XIX.
Jahrhunderts« gelesen hat, wird daraus den Ein-
druck gewonnen haben, dass der Verfasser dieses
Werkes eine entschieden künstlerische Begabung
besitzt, und sich nicht wundern, ihm in dem
obengenannten Werke als Dichter zu begegnen.
Die drei kleinen Erzählungen, die Chamberlain
unter dem Titel »Parsifal-Märchen« zusammen-
gefasst hat, sind ursprünglich in den »Bayreuther
Blättern« erschienen und schließen sich in ihrem
Inhalt aufs engste an Wagners »Bühnen-Weih-
festspiel« an. Der Gedanke, die Erlebnisse
Parsifals weiter auszuspinnen und dichterisch
zu verwerten, ist sehr ansprechend. Chamberlain
erzählt in »Parsifals Christbescherung« eine
Episode vor dessen Irrfahrt, lässt uns in »Parsifals
Gebet« einen Blick in die Seele seines Helden
am Tage seiner Wiederankunft auf der Gralsburg
thun und schildert in »Parsifals Tod« die letzten
Stunden des Königs. Leider weiß er den Märchen-
ton, den er — zumal am Beginne der ersten Er-
zählung — so hübsch getroffen hat, nicht dauernd
festzuhalten. Der Denker ist in Chamberlain
doch stärker als der Dichter, und alle
drei Märchen verlieren sich in dunklen Re-
flexionen und salbungsvollen Predigten. Cham-
berlain bildet nicht, sondern redet oder lässt
Reden halten, zum Theil sehr schöne Reden
voll blühender Bilder und guter Weisheits-
regeln, aber doch von solcher Art, dass man sie
lieber in einem Laienbrevier oder Predigt-
buche, als in einer Dichtung lesen würde.
Immerhin hat dieselbe als eine Art Glaubens-
bekenntnis eines geistvollen Mannes ihren eigen-
thümlichen Reiz, und mancher, der Wagners
»Parsifal« als ein christlich-religiöses Werk ver-
ehrt, wird gern zu den »Parsifal-Märchen« greifen,
in denen dieser religiöse Grundton weiterklingt
und die ihre Entstehung der innigsten Verehrung
des Bayreuther Meisters verdanken.
KARLSRUHE. PROF. ARTHUR DREWS.
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