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Ein blasser Himmel über der Welt,
die an Altersschwäche vergeht, wird
vielleicht mit dem Gewölk entschwinden;
die verbrauchten Purpurfetzen der Sonnen-
untergänge spiegeln sich in einem Fluss,
der am Rande des von Wasser und Strahlen
überschwemmten Horizonts schlummert.
Die Bäume langweilen sich, und unter
ihrem Laubdach (das weit eher der Staub
der Zeiten, als der des Weges gebleicht
hat) erhebt sich die leinene Schaubude,
in der die Wunder der Vergangenheit zu
sehen sind. Ein paar Laternen harren der
Dämmerung und beleuchten die Gesichter
einer elenden, von der unsterblichen Seuche
und der Sünde der Jahrhunderte besiegten
Schar; Männer neben ihren verkommenen
Schuldgenossinnen, die in ihrem Leibe
die kläglichen Creaturen tragen, mit denen
die Welt zugrunde gehen soll. Inmitten
des bangen Schweigens all jener Blicke,
die sich flehend auf die Sonne richten,
welche dort drüben, wie mit einem Auf-
schrei der Verzweiflung, unter dem Wasser
versinkt, ertönt die einfache Verkündigung:
»Kein Placat vermeldet euch, was
da drinnen gezeigt wird, denn kein Maler
unserer Zeit vermöchte ein schwaches
Abbild davon zu geben. Ich bringe euch
lebendig (und durch die Macht der Wissen-
schaft, den Jahrhunderten zum Trotze,
wohl erhalten) eine Frau von einstmals.
Etwas Tolles, Eigenartiges, Ursprüngliches
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— wie soll ich’s nur bezeichnen? — ein
goldener Traum, den sie ihr Haar nennt,
fließt mit der Anmuth weicher Stoffe um
ihr Antlitz, das von der blutigen Nacktheit
der Lippen erleuchtet wird. Statt kläglicher
Gewänder hat sie einen Körper, und ihre
Augen, die seltenen Edelsteinen gleichen,
werden überboten von dem Blick, der aus
dem blühenden Fleisch hervorstrahlt; ihr
Busen schwillt, und seine Spitzen richten
sich himmelwärts, als wäre er erfüllt von
unversieglicher Milch; an den schlanken
Gliedern haftet noch das Salz des Meeres.«
Ihrer armen, dürftigen, kahlen, schlaffen,
hässlichen Frauen gedenkend, drängen sich
die Männer heran; und auch die Frauen,
von dumpfer Neugier getrieben, möchten
schauen.
Haben erst Alle das edle Geschöpf,
das Überbleibsel einer früheren, gleichfalls
schon verdammten Zeit besehen, dann
werden sie einander betrachten: gleich-
giltig die Einen, weil es ihnen an der
Kraft zum Begreifen gebrach, Andere aber
erschüttert und mit thränenfeuchten,
resignierten Blicken; die Dichter jener
Tage aber werden mit neu erwachtem
Feuer in den erloschenen Augen zu ihrer
Arbeitslampe heimkehren, für einen kurzen
Augenblick von einem wirren Ruhmes-
rausch erfüllt, verfolgt von Rhythmen und
vergessend, dass sie einer Zeit angehören,
die die Schönheit überlebt hat.
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