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schon in mir beschlossen ist und irgendwie
von mir seinen Ausgang nimmt.
So kannte ich auch keine Trennung.
Ich konnte vieles — alles verlassen, wo-
durch ich manchem hart, ja grausam
erschien. In Wahrheit gibt es kein Trennen.
Was ist, ist unauflöslich verbunden. Und
das Gefühl einer Trennung, die Vielen
tiefste Trauer bringt, ist nur Mangel an
Erkenntnis und Bewusstsein.
Es gibt keine Trennung, wie es keine
ewigen Wunden gibt. So fest war dieser
Gemeinsamkeitszwang, dass ich über alle
Irrungen und Stürme immer wieder dahin-
trieb, als Mittel, mich selbst zu befreien;
die einsamen Wege, die ich gieng, führten
schließlich alle zu dem einen Ziele, dem
höchsten Glück: zu der Gemeinsamkeit.
Denn alles Glück, alle Zukunft ist in
den Worten beschlossen: Einheit —
Gemeinsamkeit. Oder noch klarer und
tiefer: ich und die Einheit — ich und die
Gemeinsamkeit.
Beides ist gleichbedeutend und geht
in einander auf.
Und in dem Worte Gemeinsamkeit
liegt nicht nur die Menschheit, sondern
die ganze Entwicklung des Lebens in jeder
Äußerungsform.
Ein Baum steht mit tausend Wurzeln
im Boden, saugt seine Nahrung aus allem,
trägt oben die Krone.
Hinter diesem Gemeinsamkeitszwang
liegt die ganze Welt der geheimen Zu-
sammenhänge, die allem Leben erst Grund
und wahre Bedeutung gibt.
Der Verstand, die Kraft des Denkens
war mir nie der Gott, der er Vielen, den
Meisten, war. Ich sah Viele ihre Kraft
dafür hingeben; nur Wenigen war es
Spiel, Lust und Glück.
Alles, was ich dachte, konnte mir
höchstens die Bestätigung dessen geben,
was ich fühlte.
Nie hatte ich den Drang, mein Leben
geräuschvoll, groß zu gestalten. Zuweilen
gab es mir wohl Freude; aber ich pflegte
diese Neigung, die mir eine fremde war,
nicht.
Ich vermochte Glück und Unglück
nicht zu unterscheiden. Gab mir Schmerz
Glück, so gab mir Freude Unglück oder
Gleichgiltigkeit.
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Grenzen beider Empfindungen konnte
ich nicht bestimmen.
Wenn ich auch Schmerzen und Unglück
kannte und Entbehrung — es lag ein
Lächeln darüber.
Das äußere Leben zog mich nicht an;
nur als Bethätigung des inneren Werdens.
Was ich als sicherste Aufgabe fühlte: die
Erforschung alles Innern, alles Zusammen-
hanges und die Umformung des Gefun-
denen in sichtbare Zeichen.
War mir vieles wohl noch verschlossen;
kein Blick konnte alles erreichen.
Nur in vorüberhuschenden Momenten
öffnete sich der Schacht der tiefsten
Empfindungen. Zu warten, bis dieser
Augenblick der Offenbarung kam, das
betrachtete ich als meine Aufgabe. Nicht
zu scheiden, zu zerpflücken, zu unter-
suchen, sondern zusammenzubinden, zu
einen, ewig und unauflöslich. Ewige
— für Menschen unserer Zeit ewige —
Wahrheit zu finden. Was ich fand, zeich-
nete ich auf. Alles sollte mir Baustein sein
für die Zukunft.
So schön, so allen Lohnes wert erschien
mir jedes Sein.
Was ist, ist schön.
Man könnte ebenso sagen: was ist,
ist wahr.
Der tiefste Kern der Schönheit ist
Wahrheit.
Mein ganzes Leben sah nur das Ziel,
diese Schönheit überall zu finden. Und
ich fand sie überall.
Mit einem unendlich starken Glücks-
gefühl sage ich: Ich wurde nie getäuscht.
Ich empfand und empfand nur.
Es gab für mich nichts, was ich erst
abschütteln musste, um frei zu werden.
Alles, was war, war gerechtfertigt durch
seine Existenz. Denken war mir eine
Spielerei.
Wie es keinen Zwiespalt in mir gab,
so gab es kein Urtheil. Was ich sah,
war gut, weil es war.
Und alles, was war, schien mir eine
Form meines Ich, die mir als solche ver-
traut sein musste.
Ich freue mich, wie ich jetzt all das
so klar übersehe. Ich wusste dunkel, dass
mir einst alles klar werden würde und
dass ich dann alles segnen könnte, da ich
sah, wie alles gut war. Dunkel war es
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