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durch die Qualification dieses absoluten
Weltgrundes, den Schopenhauer als blinden
Willen auffasst, während Fichte ihn als
»reines Ich«, als einen unpersönlichen
Träger unendlicher subjectiver Thätig-
keit auffasst, der, wie später auch der
Weltgeist Hegels oder der Unbewusste
von Hartmanns, sich erst in den
einzelnen menschlichen Subjecten indivi-
dualisiert. Beiden fällt die Einheit des
Ich unmittelbar zusammen mit
der All-Einheit, beide kennen nur
eine Monade, die Centralmonade Gior-
dano Brunos. Der dieser Centralmonade
unbegrenzt viele andere Einzelmonaden
unterordnende Individualismus eines Gior-
dano Bruno und du Prels dagegen ist
vorsichtiger und bescheidener; er behauptet,
dass man in der Analyse des Unbewussten
nicht sofort auf die Weltsub-
stanz stößt, sondern zunächst
auf eine wurzelhafte Verlän-
gerung, auf ein transcenden-
tales Subject, welches von dem
in unserem Selbstbewusstsein
liegenden Ich, aber auch von der
Weltsubstanz unterschieden ist.«
(Du Prel: Entdeckung der Seele. S. 205.)
Offenbar ist der Individualismus, der
darum die Alleinheit der Weltsubstanz
nicht in Frage zu stellen braucht, für den-
jenigen, der eine heroische Weltanschauung
erstrebt — um Brunos Ausdruck zu ge-
brauchen —, convenienter, als jener ab-
stracte Monismus.
Ja, er ist auch natürlicher. Denn jener
abstracte Monismus verkennt die Stetig-
keit der Natur-Entwicklung, er macht von
der gegebenen Erscheinung aus einen
Kopfsprung in das Absolute; die Natur
aber liebt solche Sprünge nicht. Du Prel
meint, dass Schopenhauer bei eingehen-
derer Befassung mit gewissen, von ihm
offenbar in seiner späteren Periode wohl
gewürdigten occultistischen Studien
selbst dazu gelangt sein würde, sein
System individualistisch zu vertiefen. Ich
glaube, dass ihn auch schon eine genauere
philosophische Würdigung der modernen
Entwicklungslehre dazu genöthigt
haben würde. Rein physiologisch genommen,
ist der Mensch nach dieser Lehre nicht
unmittelbar fertig geschaffen, sondern
erarbeitet oder vielmehr er hat sich selbst
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erarbeitet, entwickelt im Verlaufe eines
zahllose Generationen oder Zeugungen
umfassenden Zeitraums. Die Entwicklungs-
lehre müsste also fallen, wenn das Absolute
unmittelbar der Träger dieses stetigen
Processes wäre, wenn es die in einem
Individuum erreichte Form jedesmal mit
dem Tode dieses Individuums wieder in
seine All-Einheit, d. h. All-Identität auf-
löste. Zum mindesten fordert also die Ent-
wicklungslehre eine dauernde Gattungs-
seele als Zwischenglied. Aber auch diese
kann, bei solchen Gattungen wenigstens,
die sich nicht durch bloßes Wachsthum,
durch Sprossung, sondern durch Zeugung
fortpflanzen, nicht genügen. Denn in diesen
Gattungen ist die Differenzierung bereits
soweit fortgeschritten, dass die Gattung
in jedem Individuum völlig gegenwärtig,
d. h. selbständig und unterschied-
lich organisiert ist. Das Individuum
ist eben eine selbständige Einheit, was
seine Umfassung durch eine ursprünglichere
und höhere Einheit, die Gattungsseele, mit
nichten ausschließt. Der gegenwärtig noch
materialistisch oder (wenigstens bei Häckel)
abstract monistisch geartete sogenannte
Darwinismus muss, wenn er einen zuläng-
lichen Träger der Vererbung haben will,
den Spuren du Prels folgen, der ja, wie
seine Leser wissen, auch erst vom Dar-
winismus zum transcendentalen Individua-
lismus gelangte. Nur eine beharrende
Einheit, eine Monade im Sinne Brunos,
ist nämlich als Träger der Vererbung
erworbener Eigenschaften denkbar, wenn
anders unsere logischen Erörte-
rungen, die eine Einheitskraft für den
Organismus nicht fordern, wie für das
aus ihm resultierende empirische Bewusst-
sein (vgl. Jahrgang IV, Nr. 22), richtig
gewesen sind.
Der Satz: Volo, ergo sum verliert
auch nur bei Annahme eines transcen-
dentalen Individualismus die
Paradoxie, die ihm auf den ersten Blick
anhaftet. Selbstverständlich kann nämlich
in diesem Satze: »Ich will, also bin ich!«
das Ich im Vordersatze nicht völlig
identisch sein mit dem Ich im Nachsatze.
Münchhausen kann sich nicht am eigenen
Zopfe aus dem Nichts hervorgezogen
haben. Andererseits aber muss doch eine
solche Identität vorliegen, wie beispiels-
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