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die sich nicht Abmessen oder abzählen
lassen. Denn, beim Zeus! was sollten
wir wohl mit diesen beginnen?
Kosmotheoros: Wohl gesprochen,
Lieber! Und eine herrliche Lehre dünkt
mich die, so du eben entwickelt; würdig
des Schweißes der Tüchtigsten und der
Edelsten. Aber welches ist die Ursache
eures mühevollen Forschens und Be-
obachtens? Ist es bloß die Lust, dass ihr
so vieles erkennen werdet, die euch hiezu
antreibt, oder habt ihr noch etwas anderes
im Sinne? Ich bitte dich, verhehl’ es mir
nicht: denn mich quälet am tiefsten die
Frage, weshalb, und nicht die, wonach
ihr suchet.
Philarithmos: Dieses nun will ich
dir nach der Wahrheit verkünden. Vieles
in der Welt ist uns willkommen, vieles
verhasst. Dies erklären wir aber, wie ich
dir bereits zeigte, alles nur aus der Lage
der untheilbaren Körperchen. Wenn wir
nun von allem und jedem wissen,
wie seine Art sei und sein Bau, und
welcher Art die Bahn seiner kleinsten
Stoff-Theilchen, so können wir diese auch
nach Belieben ändern und derart Leiden
in Freude verwandeln, Tod in Leben
Kosmotheoros: Wie? Den Schritt
der Ate glaubst du hemmen zu können?
Sind wir doch alle nur da durch sie; du
und ich und die unendlichen Geschlechter
der Menschen — und werden nicht sein,
wenn unsere Zeit gewesen sein wird. Wie
glaubst du nun, die Bahnen der Noth-
wendigkeit zu durchkreuzen?
Philarithmos: Schon sprichst du
wieder von der Ate, von der Noth-
wendigkeit, von dem Schicksal und der-
artigem, das ich wenig liebe. Dennoch
aber muss ich dir Recht widerfahren
lassen. Denn zu zahlreich sind die Dinge
und zu sehr verschlungen die Bahnen
ihrer Theilchen, als dass wir Weisen
hoffen dürfen, so tief einzudringen, um
alles Leid aus der Welt schaffen zu
können. Aber manches können wir
ändern, und dies ist unser Stolz.
Kosmotheoros: Mit Recht seid ihr
hierauf stolz; denn hoch zu stellen ist,
wer das Leid auch nur um ein weniges
zu verkürzen weiß. Aber verkünde mir
noch dieses: Wenn es die Aufgabe und
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der Zweck der Lehre ist, das Leid der
Welt zu verringern, ist es dann nicht
gleichwertig, durch welcherlei Mittel man
hiezu gelangt? Und dieses: Kommt es
überall nicht so sehr auf die Klarheit an,
als auf das Abzählbare?
Philarithmos: Das erste will ich dir
wohl zugestehen; das zweite aber kann
ich nicht begreifen. Liegt doch die höchste
Klarheit im Abzählbaren. Und ich wüsste
auch nicht, wie etwas klar sein könnte,
das sich nicht ausrechnen lässt.
Kosmotheoros: Hinsichtlich der Klar-
heit wollen wir noch mehreres bedenken.
Klar wirst du etwas wohl dann ausgedrückt
nennen, wenn man aus der Beschreibung
des Dinges, von dem Einer redet, das
Ding selbst genau erkennt, und nicht
Spielraum gelassen ist für das Mit-Vor-
stellen anderer ähnlicher Dinge.
Philarithmos: So ist es.
Kosmotheoros: Dann muss wohl
auch die Art der Klarheit dem betreffen-
den Dinge angemessen sein, und wird
Einer wohl ein Bild durch Farben klar
ausdrücken und nicht durch Töne, und ein
anderer eine Gesangsweise durch Töne
und nicht durch Farben. Und im allge-
meinen wird Menschliches durch Mensch-
liches, Irdisches durch Irdisches, Thierisches
durch Thierisches und Göttliches durch
Göttliches klar ausgedrückt werden können.
Philarithmos: Hier kann ich dir nicht
mehr gut folgen, aber fahre nur fort.
Kosmotheoros: Ferner wird man
alles, was sich auf Maß und Zahl zurück-
führen lässt, durch Maß und Zahl klar
und genau beschreiben können; wessen
Wesen aber nicht durch Maß und Zahl
erschöpft wird, das muss wohl durch
andere Elemente dem Verstande klarge-
macht werden.
Philarithmos: Zugestanden. Doch
haben derlei Dinge deshalb wenig Wert,
weil sie nichts mit dem zu thun haben,
das sich ändern lässt, sei es aus diesem
oder einem anderen Grunde.
Kosmotheoros: Doch hast du schon
früher erklärt, Freund, dass ihr Weisen
nur manches — und dieses sei nicht viel
— zu verändern vermöget. Und so glaube
ich mit Recht sagen zu dürfen, dass nur
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