|
als ein wirres, ungeheures Gewebe der
mannigfaltigsten Vorstellungsketten dar.
Diese Wirrnis zu analysieren, Faden für Faden
herauszuheben, die Ausgangs- und Schneide-
punkte zu finden, und zu erkennen, wie
sich im einzelnen Falle das Ganze wieder
zusammenfügt, dies ist wohl Menschen
nicht möglich, zumal ja die Kunst fast
niemals ein einziges Mittel allein verwendet,
sondern oft alle gleichzeitig; mag auch
die oberste Melodie eines Tonstückes aus-
schließlich den Tonfall des Sprechens
nachahmen, so enthält doch der begleitende
Theil desselben alle Nachahmungsarten in
buntem Durcheinander. Es bezeichne:
T
die Darstellung des Tonfalles beim
Sprechen,
N
die der Naturlaute,
R
die des Rhythmus, und
P
die parallelistische.
BAU EINES SONATENTHEILES.
A
c T + N
β R
b R + N
z T
a P + R
A
R
+
P
+
N
+
T
|
Eine Melodie A gebe den Tonfall (T),
in dem sich etwa die Melancholie
manifestiere; sie erzeugt eine dunkle Vor-
stellungskette. Um jedoch ihren Gehalt,
»die Melancholie«, plastischer zu gestalten,
geselle sich noch ein die Schwermuth
manifestierender Rhythmus (R) hinzu, der
mit ersterer Vorstellungskette in Wirklich-
keit (nicht im Bilde) eng verschmolzen
wird. Der Rhythmus mag ein Merkmal
irgendeiner allbekannten sinnlichen Mani-
festation dieser psychischen Stimmung
sein und etwa einer schmerzlichen Arm-
bewegung, dem gemessenen Schreiten,
oder er mag auch der Außenwelt, dem
Fliehen düsterer, vom Winde getriebener
Wolken, dem niedersinkenden Fluge der
Raben, woran wir eben diese Stimmung
zu knüpfen gewöhnt sind, entstammen.
Woher er im Einzelnen stammt, wird meist
sehr unbestimmt bleiben. Erst wenn dies
Merkmal des Rhythmus für eine Vor-
stellung sehr charakteristisch ist, mag man
erkennen, dass er dieser bestimmten Vor-
stellung angehört.
In diese engverschmolzenen Associa-
tionsketten geselle sich auch N hinzu,
das gleichfalls obigen psychischen Gehalt
auszudrücken bestrebt sei, etwa das heisere
Krächzen der Raben mit seinem schwer-
müthigen Tonfall. Endlich mag auch
zur plastischeren Gestaltung noch P
hinzutreten. (Düsteres durch tiefe Ton-
lagen.) Eine einzelne, alleinstehende
Melodie kann also schon zahlreiche Vor-
stellungsreihen wachrufen, die, eng ver-
schmolzen, sich ein und demselben Zweck
widmen. Jede dieser Vorstellungsreihen
kann wieder Erregungspunkte von anderen
bilden, diese wieder, u. s. f., worin sich
noch die Associationen des begleitenden
Theiles, sowie des gesammten Zusammen-
klanges mystisch verschlingen, so dass jenes
dunkle Vorstellungsgeäst zustandekommt,
das im einzelnen Fall nicht mehr möglich
wird zu entwirren. Die Musik unterscheidet
sich in dieser Beziehung von den anderen
Künsten nur dadurch, dass bei ihr auch die
Ausgangspunkte A a, b, c, d
unter der
Schwelle liegen.
|