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stehung des Individuums aus zwei anderen
oder aus einem materialistischen Aggregat
oder aus dem Machtspruch eines Schöpfers
abgelehnt haben, jeder modernen Zeugungs-
theorie zum Trotz, nicht gekennzeichnet
werden.
Auch hat schwerlich irgendein Philo-
soph die Untheilbarkeit und Ein-
heit unseres Wesens, das, weshalb wir
es eben als Individuum (Untheilbares)
bezeichnen, schärfer betont, als Schopen-
hauer: »Das wahre Wesen jeder Thier-
gestalt ist ein außer der Vorstellung, mithin
auch außer ihren Formen, Raum und
Zeit, gelegener Willensact, der eben deshalb
kein Nach- und Nebeneinander kennt,
sondern die untheilbarste Einheit hat.
Erfasst nun aber unsere cerebrale An-
schauung jene Gestalt und zerlegt gar
das anatomische Messer ihr Inneres, so
tritt an das Licht der Erkenntnis, was
ursprünglich und an sich dieser und ihren
Gesetzen fremd ist, in ihr aber nun auch
ihren Formen und Gesetzen gemäß sich
darstellen muss. Die ursprüngliche Einheit
und Untheilbarkeit jenes Willensactes,
dieses wahrhaft metaphysischen Wesens,
erscheint nun auseinandergezogen in ein
Nebeneinander von Theilen und ein Nach-
einander von Functionen, die aber dennoch
sich als genau verbunden darstellen, durch
die engste Beziehung aufeinander zu
wechselseitiger Hilfe und Unterstützung
als Mittel und Zweck.« (»Wille in der
Natur«, Reklam S. 256.)
Neben einem Bruno und seiner Mona-
distik, neben du Prel wüssten wir gegen
den groben Materialismus sowohl, als auch
gegen den feineren Phänomenalismus der
Associations-Psychologie (Ziehen) und die
sogenannten Antivitalisten, welche jede
Lebenskraft leugnen, keinen bedeutenderen
Gegner ins Feld zu führen, als Schopenhauer.
(Vgl. z. B. dessen »Welt als Wille
und Vorstellung«, II, e, 13):
»Worauf beruht die Identität der
Person? — Nicht auf der Materie des
Leibes: sie ist nach wenigen Jahren eine
andere. Nicht auf der Form derselben:
sie ändert sich im ganzen und in allen
Theilen bis auf den Ausdruck des Blickes,
an welchem man daher auch nach vielen
Jahren einen Menschen noch erkennt,
welcher beweist, dass trotz aller Ver-
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änderungen, die an ihm die Zeit hervor-
bringt, doch etwas davon in ihm völlig
unberührt bleibt: es ist eben dieses,
woran wir, auch nach den längsten
Zwischenräumen, ihn wieder erkennen und
den Ehemaligen unversehrt wiederfinden;
ebenso auch uns selbst: denn wenn man
auch noch so alt wird, man fühlt doch
im Innern sich ganz und gar als Der-
selbe, der man war, als man noch jung,
ja, als man noch ein Kind war. Dieses,
was unverändert stets ganz dasselbe
bleibt und nicht mitaltert, ist eben der
Kern unseres Wesens, welcher nicht in
der Zeit liegt. — Man nimmt an, dass
die Identität der Person auf der des
Bewusstseins beruhe. Versteht man aber
unter dieser bloß die zusammenhängende
Erinnerung des Lebenslaufes, so ist sie
nicht ausreichend. Wir wissen von unserem
Lebenslauf allenfalls etwas mehr, als von
einem ehemals gelesenen Roman, dennoch
nur das Allerwenigste. Die Hauptbegeben-
heiten, die interessantesten Scenen haben
sich eingeprägt; im übrigen sind tausend
Vorgänge vergessen, gegen einen, der
behalten worden ist. Je älter wir werden,
desto spurloser geht alles vorüber. Hohes
Alter, Krankheit, Gehirnverletzung, Wahn-
sinn können das Gedächtnis ganz rauben.
Aber die Identität der Person ist damit
nicht verloren gegangen. Sie beruht
auf dem identischen Willen und dem un-
veränderlichen Charakter desselben.
Er eben ist es auch, der den Ausdruck
des Blickes unveränderlich macht. Im
Herzen steckt der Mensch, nicht im
Kopf. Zwar sind wir, infolge unserer
Relation mit der Außenwelt, gewohnt,
als unser eigentliches Subject das Subject
des Erkennens, das erkennende Ich, zu
betrachten, welches am Abend ermattet,
im Schlafe verschwindet, am Morgen
mit erneuten Kräften heller strahlt. Dieses
jedoch ist die bloße Gehirnfunction und
nicht unser eigenes Selbst. Unser wahres
Selbst, der Kern unseres Wesens, ist das,
was hinter jenem steckt und eigentlich
nichts anderes kennt, als wollen und nicht
wollen, zufrieden und unzufrieden sein,
mit allen Modifikationen der Sache, die
man Gefühle, Affecte und Leidenschaften
nennt. Das ist das, was jenes andere
hervorbringt, nicht mitschläft, wenn jenes
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