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durch einen Trugschluss aus der Idealität
von Raum und Zeit jenes von Schopen-
hauer so oft betonte: Tat twam asi (Dies
bist du) der indischen Alleinheitslehre,
richtiger All-Einheit sichre, aufdrängen
zu lassen. Durch Anderer Schlechtig-
keit lassen wir uns unseren Willen
zum Leben nicht verekeln! Denn
wir sind überzeugt, dass auch die erste
Eins, die unseren Ausgangspunkt, wie
den aller anderen, bildet, die Monas der
Monaden nur um der Freiheit willen
die Entstehung so mancher Bosheiten und
Erbärmlichkeiten, deren Möglichkeit sie
voraussah, nicht verhütet hat.
»Der Freiheit entzückende Erscheinung nicht
zu stören,
Lässt er des Übels grauenvolles Heer
In seiner Schöpfung toben.«
(Schiller.)
So wird es klar, wie auch freiheit-
liche und individualistische Welt-
anschauung gleichbedeutend ist. Wir
wollen keinen Monopol-Gott — ni dieu ni
maître* —, darin stimmen wir überein mit
Schopenhauer; aber wir bedanken uns
auch dafür, uns als solchen einen blinden
Willen unterschieben zu lassen, der für alle
Übel solidarische Haftpflicht begründet.
Sehend haben wir uns selber auf diesen
Kampfplatz begeben, welcher als Welt in
Raum und Zeit sich unendlich ausdehnt. Ihn
ohne Sieg zu verlassen, wäre Feigheit.
Darum halten wir fest an der Hoffnung
eines Sieges des Guten in dieser Welt,
und wir können dies, weil wir Anhänger
des Ormuzd zum mindesten so gut und
fest im Ewigen wurzeln, wie die Anhänger
des Ahriman.
Weit entfernt, die Leiden dieser Welt
zu verkennen oder gar zu beschönigen,
billigen wir den Schopenhauer’schen Pessi-
mismus, soweit er ethischer Entrüstungs-
Pessimismus ist und vieles auf dieser Welt
kennzeichnet als eine Welt, die so nicht sein
sollte! Aber diese Welt ist auch nicht
dieselbe, die in uns sein wollte, und soweit
diese bessere Welt in uns ist, kann jene ihr
nichts anhaben; unser empirisches
Ich kann freilich durch jene leiden. Aber
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Schopenhauer selbst schreibt (§ 330 a Neue
Paralipomena): »Das Leiden ist die Be-
dingung zur Wirksamkeit des Genius.
Glaubt ihr, dass Shakespeare und Goethe
gedichtet oder Platen philosophiert und
Kant die Vernunft kritisiert hätte, wenn
sie in der sie umgebenden wirklichen Welt
Befriedigung gefunden hätten, ihnen
wohl darin gewesen wäre und ihre Wünsche
erfüllt worden wären? Erst nachdem wir
mit der wirklichen Welt in gewissem Grade
entzweit und unzufrieden sind, wenden wir
uns zur Befreiung an die Welt des Ge-
dankens.«
In dieser Welt des Gedankens lebt
unser Genius, unser transcendentales
Subject, unser wahres Ich, nicht un-
zeitlich und unräumlich, sondern über-
zeitlich und überräumlich, weil selber die
Zeit und den Raum des sinnlichen Daseins
des empirischen Ich setzend und erfüllend.
Unser Genius verdenkt uns unseren irdi-
schen Pessimismus der Entrüstung mit
nichten, aber einen Pessimismus der Feig-
heit und des Quiëtismus würde er nicht
billigen. Weil Schopenhauer infolge seines
abstracten Monismus nicht zu völlig
individualistischer Auffassung fortschritt,
konnte er auch die richtigen Gegengründe
gegen den Selbstmord nicht entdecken,
den er gleichwohl verurtheilt als einen
vergeblichen Versuch, die Welt zu ver-
neinen. »Die Abhaltungsgründe vom Selbst-
mord finden sich erst in dem Gedanken,
dass jener Wille zum Leben, in welchem
Schopenhauer unser eigenes Wesen er-
kennt (den wir also nicht haben, sondern
sind), zwar nicht die Weltsubstanz
ist — wie Schopenhauer meint — wohl
aber der Wille unseres eigenen trans-
cendentalen Subjects; und letzterer fasst
den Zweck des Lebens anders auf, als das
durch die irdischen Übel ermüdete und
von materialistischen Irrthümern missleitete
irdische Bewusstsein« (du Prel: »Monisti-
sche Seelenlehre«, Seite 378). Wie, das lehrt
uns eine Anrede des Göttervaters an Osiris
vor seiner Incarnation (Synesios: »Die
Egypter oder die Vorsehung«, übersetzt in
Kiesewetters »Occultismus des Alterthums«
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